«Wir beobachten seit mehreren Wochen, dass einige Kunden teilweise mehrere Dutzend Pakete Zucker kauften», sagte Rewe-Sprecher Andreas Krämer am Donnerstag in Köln. Als Folge seien die Verkäufer in den Rewe- und Penny-Märkten inzwischen angehalten, nur noch «handelsübliche Mengen» abzugeben. Ähnlich ist es bei Filialen von Lidl, Kaufland, Real und Tengelmann. Grund für die verstärkte Nachfrage: Zucker ist in Deutschland viel billiger als in Polen.
In Deutschland ist ein Kilo Haushaltszucker für 65 Cent zu haben. In Polen dagegen müssten Verbraucher zwischen 1,23 und 1,38 Euro je Kilo bezahlen, in einigen Gegenden sogar 1,50 Euro, sagte Katarzyna Guzenda vom Deutsch-Polnischen Verbraucherzentrum in Frankfurt (Oder). «Der Zuckerpreis ist in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Noch im Dezember hat ein Kilogramm etwa 75 Cent gekostet.»
Als Folge wollten polnische Kunden in grenznahen deutschen Geschäften palettenweise Zucker kaufen. «Ich habe selbst zwei junge Männer beobachtet, die mit vier Einkaufswagen aus einem Laden kamen, die mit Zucker vollgepackt waren», berichtete Guzenda. In vielen Supermärkten hingen mittlerweile Schilder aus, die auf Mengenbegrenzungen hinwiesen.
«Es gibt einen regelrechten Zucker-Tourismus», sagte Jutta Meister, Sprecherin von Tengelmann. Die Verkäufer in den Filialen seien darauf hingewiesen worden, die Abgabe auf handelsübliche Mengen zu beschränken. «Wieviel das ist, hängt von der Größe der Filiale ab. Durchschnittlich etwa fünf Pakete», sagte Meister.
«Grundsätzlich verfügen wir über eine ausreichende Menge Zucker. Wir bitten unsere Kunden jedoch, Zucker nur in haushaltsüblicher Anzahl einzukaufen», sagte eine Lidl-Sprecherin in Neckarsulm. Für
Lidl stehe «die sichergestellte Versorgung unserer Kunden im Fokus und nicht die Aktivitäten auf Drittmärkten». Die ebenfalls zur Schwarz-Gruppe gehörende Kette Kaufland verkauft nach eigenen Angaben maximal fünf Pakete pro Kunde. In den zur Metro-Gruppe gehörenden Real-Märkten sollen Verbraucher nicht mehr als acht Packungen mitnehmen.
«Es gibt keine Versorgungsengpässe», betonte Rewe-Sprecher Krämer. Die Verkaufsbeschränkung solle vielmehr dazu dienen, logistische Probleme bei der Lagerung und Ärger mit Kunden zu vermeiden. Denn wenn einzelne Personen Riesenmengen Zucker kauften, seien die Kunden, die nichts mehr abbekommen, unzufrieden.
Das Bundesagrarministerium sieht aufgrund der verstärkten Nachfrage bislang keinen Anlass zur Sorge. «Ich gehe davon aus, dass das kurzfristige Erscheinungen sind», sagte Staatssekretär Robert Kloos. Auf Engpässe bei der Verfügbarkeit von Zucker gebe es keine Hinweise.
«Die Preise für Zuckerlieferungen sind in Deutschland oft in Jahresverträgen festgeschrieben und entsprechend kann es zu deutlichen Unterschieden im Vergleich zum Weltmarktpreis kommen», erklärte Analyst Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe. Da Zucker am Weltmarkt zuletzt deutlich teurer geworden sei, müssten polnische Verbraucher viel mehr für Zucker bezahlen als deutsche. Die nun ergriffenen Rationierungsmaßnahmen sind aus Sicht des Analysten vor allem ein Zeichen dafür, dass auch in Deutschland der Zuckerpreis bald steigen wird.
Der Zuckermarkt in der EU ist streng reguliert. Die hier produzierte Menge darf insgesamt nur 85 Prozent des Versorgungsgrades erreichen, um Importe aus dem Ausland zu fördern. Dies ist nach Angaben des Deutsch-Polnischen Verbraucherinformationszentrums mit ursächlich für den rapiden Preisanstieg in Polen. Denn infolge der EU-Zuckermarktreform sei in Polen weniger Zucker hergestellt worden, woraufhin die Nachfrage und mit ihr die Preise stiegen. Das habe viele Polen in Panik versetzt und zu Hamsterkäufen veranlasst. (dpa)