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30.01.2013 | 11:07 | Stromproduktion 

Turbulenzen im Stromnetz

Berlin - Energieexpertin Charlotte Loreck vom Berliner Öko-Institut fällt spontan das Bild von einem großen Tuch ein, das in der Höhe gehalten werden soll.

Stromnetz
(c) proplanta
Dafür müsse es an allen Seiten festgehalten werden. Ähnlich sei es mit dem Stromnetz, sagt sie. Wenn der Strom nicht gleichmäßig verteilt ist und vernünftig fließt, kann die gesamte Stabilität gefährdet sein. Genau dieses Risiko fürchtete der süddeutsche Übertragungsnetzer Tennet, weil eine Starkwindphase im Norden viel Strom in das Netz presste, im Süden aber zu wenig Strom zur Verfügung stehen könnte. Daher zapfte Tennet am Dienstag zum ersten Mal in diesem Winter Strom aus Reservekraftwerken an.

Die Prognosen hatten eine Produktion von bis zu 24.000 Megawatt Windstrom vorausgesagt. An der Leipziger Strombörse fielen die Preise für den kurzfristigen Stromeinkauf für Dienstag auf bis zu 0,8 Cent je Kilowattstunde, normal sind etwa 5 Cent. Im Norden wie im Süden wurde daher reichlich Strom eingekauft. Das Problem: Der Windstrom aus dem Norden kann mangels Netzen nur bedingt in den Süden geleitet werden. «Das ist unser Flaschenhals, deshalb forcieren wir ja den Netzausbau», sagt Rudolf Boll von der Bundesnetzagentur. Aber auch die Einkäufer im Süden müssen ihren Strom geliefert bekommen. «Es ist nicht einfach zu erklären», kommentiert Boll die Turbulenzen im Netz.

Damit das von Energieexpertin Loreck beschriebene Tuch nicht an einer Seite heruntersackt, aktivierte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet vier Reservekraftwerke. In Deutschland war dies das Gaskraftwerk Staudinger 4 (Hessen), in Österreich das Kombikraftwerk Theiss in Maria Enzersdorf (Niederösterreich), das Gaskraftwerk Korneuburg (Niederösterreich) und das Gas/Ölkraftwerk Werndorf bei Graz. Es wurden bis zu 1.000 Megawatt angefordert, vor allem um das Netz infolge der sehr unterschiedlichen Stromproduktion stabil zu halten. Tennet-Sprecherin Ulrike Hörchens sagt: «Das ist vorsorglich geschehen». Eben wegen des Starkwinds im Norden und der daraus resultierenden Implikationen auch für das süddeutsche Netz.

Ein weiteres Problem, das Engpässe im Süden verschärfen könnte: Wegen der dank Windstrom fallenden Börsenstrompreise werden dort automatisch gerade teure Gaskraftwerke und zum Teil auch Steinkohlekraftwerke heruntergefahren - sie lohnen sich kaum noch und kommen teils nur noch auf 1.000 Betriebsstunden im Jahr. Es ist eine knifflige Aufgabe für die Politik: Wie rechnen sich auch in Zukunft solche Kraftwerke, die zur Absicherung der schwankenden Solar- und Windstromproduktion nötig sind?

Die Kosten für die Kaltreserve - FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler wollte zunächst sogar ein Atomkraftwerk im «Stand-By»-Betrieb halten - werden über die Netzentgelte auf die Strompreise abgewälzt. Im vergangenen Winter musste sie zweimal angezapft werden. Gerade im Februar 2012 war die Blackout-Gefahr wirklich ernst, weil Gaskraftwerke infolge von Lieferengpässen keinen Brennstoff hatten. Zudem war der Verbrauch bei starken Minusgraden enorm hoch. Das andere Mal war das Atomkraftwerk Gundremmingen C ausgefallen, weshalb bei ebenfalls hoher Windstromeinspeisung die Kaltreserve aktiviert wurde.

Am Dienstagmorgen stieg die Windproduktion auf 22.106 Megawatt - das entspricht fast der Leistung von 20 Atomkraftwerken. Die Ironie an diesem Tag, an dem österreichische Reservekraftwerke Strom nach Deutschland lieferten: Weil der Strom in Deutschland so billig war, kaufte auch das Ausland kräftig ein. Mit teils mehr als 7.000 Megawatt ging der meiste Strom nach Österreich. Das verleitet Hauke Hermann vom Öko-Institut zu dem Fazit: «Österreichische Reservekraftwerke werden gebraucht, um die Exporte nach Österreich zu decken.» (dpa)
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