Nach Erfahrungen mit teils gravierendem Flaschenmangel in den vergangenen Jahren kümmern sich viele
Winzer inzwischen bereits Monate im Voraus um ihr Glas für die nächste Abfüllung - um nicht am Ende ohne dazustehen. «Die Glasbeschaffung ist derzeit ein sehr, sehr großes Problem», meint Gerhard Schwinghammer vom Weinbauverband Württemberg in Weinsberg. «Viele Winzer lassen keine Gelegenheit aus, um Flaschen auf Lager zu nehmen für spätere Bestellungen.»
Auch nach den Erfahrungen von Klaus Rückrich, Referent beim Deutschen Weinbauverband in Bonn, bevorraten sich inzwischen viele Winzer mit Flaschen. «Es sind Auswüchse der Glasknappheit, dass man sich zu Hause den Hof voll stellt.» Auch die Rücknahme des gebrauchten Glases, das gespült wieder befüllt wird, werde für einige wieder interessanter. «Wir haben das bislang hauptsächlich aus Umweltschutzgründen gemacht», sagt ein rheinhessischer Winzer. «Wenn es so weitergeht, lohnt es sich bald auch wirtschaftlich.»
Der Glasmangel hat auch Einfluss auf die Terminkalender der
Weingüter: «Wir haben bereits Anfang des Jahres unseren Jahresbedarf geordert, in der Vergangenheit war dies nicht nötig», meint der Geschäftsführer der Dernauer Winzergenossenschaft an der Ahr, Friedhelm Nelles. Für kleinere Weingüter könnte es jedoch schwierig werden - vor allem wenn kurzfristig eine Extra-Charge abgefüllt werden muss. Auch bei der Winzergenossenschaft sei es in der Vergangenheit mal so knapp geworden, dass Rotwein in Weißglasflaschen abgefüllt werden musste - statt wie üblich in Grünglas.
«Wir bestellen und bezahlen schon im Oktober, um im Frühling abfüllen zu können», sagt der Winzer aus Rheinhessen. Das sei in der Vergangenheit erheblich flexibler möglich gewesen. Zudem sei Glas in den zurückliegenden drei bis vier Jahren jeweils rund 15 Prozent teurer geworden. Für den Winzer, der nicht namentlich genannt werden möchte, steckt eine «künstliche Verknappung» hinter den Lieferproblemen und rasant steigenden Preisen. Wenige Glashütten weltweit gäben die Preise vor. «Fordert man drei Angebote an, bekommt man dreimal den gleichen Preis genannt. Da gibt es doch keinen richtigen Markt mehr.»
Ähnliche Kritik kommt vom Badischen Weinbauverband: «Die Glasfabriken haben sich zusammengerottet und legen jetzt die Preise fest», schimpft Verbandspräsident Gerhart Hurst. Im Streit um die Glaskosten haben die badischen Winzer daher im vergangenen Frühjahr eine Anfrage an die EU wegen kartellrechtlichen Verhaltens gestellt. Eine Antwort aus Brüssel steht allerdings noch aus.
Nach den Worten des Geschäftsführers des Bundesverbandes der deutschen Glasindustrie (BV Glas/Düsseldorf), Johann Overath, wird derzeit «genügend produziert». Die Klagen der Winzer seien ihm nicht neu - allerdings habe die Industrie inzwischen reagiert und die Produktion um rund fünf Prozent gesteigert.
Die klassische Abfüllzeit vor allem bei kleinen und mittleren Gütern ist das Frühjahr. In Großbetrieben wird jedoch das ganze Jahr über Wein von den Fässern auf Flaschen gefüllt. Die Nachfrage nach Glas sei europaweit gestiegen, sagt Referent Rückrich - egal «ob bei Gurken- oder Getränkegläsern». In der Folge hätten auch die Preise kräftig angezogen, laut Glaspreisindex des Statistischen Bundesamtes zwischen den Jahren 2000 und 2007 um mehr als 20 Prozent.
Rückrich rät den Betrieben, frühzeitig Flaschen zu bestellen. «Besonders bei Spezialwünschen kann es sonst schwierig werden, seine Ware rechtzeitig zu bekommen.» Nach seinen Schätzungen werden im deutschen Weinbau rund 200 bis 300 verschiedene Flaschen unterschiedlichster Farben und Formen eingesetzt.
Eine standardisierte Weinflasche ist daher nahezu undenkbar, denn die regionalen Besonderheiten drücken sich beim Wein eben auch in der Flaschenform aus. Da gibt es den typischen Bocksbeutel der Franken oder die grüne Rheingau-Flöte. Weit verbreitete Flaschenformen in den 13 deutschen Anbaugebieten sind Bordeaux- oder Burgunderflaschen für Rotwein und die schlanken Hoch- oder Schlegelflaschen für Weißwein, die an der Mosel meist grün und im Rheingau oft braun sind. Zudem variieren die Flaschenhälse je nach Verschluss. «Man will mit bestimmten Flaschenformen Aufmerksamkeit erzeugen und die Tradition ein bisschen hochhalten», erklärt der badische Winzerpräsident Hurst. (dpa)