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21.06.2009 | 09:57 | Welternährung  

Bitterer Rekord - Der milliardenfache Hunger

Rom - Es ist ein bitterer Rekord - erstmals in der Geschichte hat die Zahl der hungernden und unterernährten Menschen die Milliarden-Schwelle überschritten.

Hunger
(c) proplanta
Und für diese unvorstellbar riesige Menschenmenge, die Tag für Tag nicht genügend zu essen hat, gibt es bislang keine «Rettungsschirme» oder «Hilfspakete». Die in Rom ansässige UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) schlägt deshalb, gestützt auf ihre neuen Zahlen, Alarm: Die jüngste Hungerkrise ist lautlos, folgt auf den Einbruch der Weltwirtschaft und könnte «den Weltfrieden und die Sicherheit erheblich gefährden».

Die tiefe Talfahrt der Weltwirtschaft und die beispielsweise für Sojabohnen, Mais und Weizen nach einer Marktberuhigung jetzt wieder steigenden Nahrungsmittelpreise sorgen also dafür, dass immer mehr Menschen in den Entwicklungsländern nur vor leeren Tellern sitzen. Es fehlt ihnen an Geld vorne und hinten, die Einkommen sinken, und die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Diesmal sind nicht etwa zu geringe Ernten verantwortlich, sondern Krisen, die auch die Industriestaaten treffen. Und das verschlimmert nach FAO-Analysen die Lage noch. Denn von den Millionen Arbeitern aus südlicher Hemisphäre, die doch sonst Geld aus dem Norden nach Hause schicken, können viele das nicht mehr.

«Die Kleinbauern brauchen Saatgut und Dünger, maßgeschneiderte Technologien, Infrastruktur, Finanzierung und Märkte, und all das gerade in dieser globalen Krise», zählt Kanayo F. Nwanze, der Chef des Agrar-Entwicklungsfonds IFAD, auf, was getan werden muss - oder: müsste. Denn in diesem Krisenjahr sitzt bei den reichen Ländern der Euro oder Dollar sicherlich nicht plötzlich lockerer als sonst. Im Gegenteil. Weshalb Bärbel Dieckmann, die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, beschwörend sagt, es brauche doch «nur» ein Prozent von all dem, was die Industriestaaten in Programme gesteckt haben, die die Konjunktur ankurbeln sollen: «Auch zur Rettung der Hungernden müssen solche Pakete geschnürt werden.»

Im asiatisch-pazifischen Raum hungern 642 Millionen, im Afrika südlich der Sahara sind es 265 Millionen. Dagegen nimmt sich die Zahl der Menschen, die in der «entwickelten Welt» nichts zu essen haben, mit 15 Millionen gering aus - doch auch dieses Heer der Hungernden nimmt zu. Die Rezepte und Ziele im Kampf gegen den Hunger liegen seit langem auf den Tischen internationaler Konferenzen, werden abgenickt und verhindern doch nicht den dramatischen Anstieg vor allem in den ländlichen Regionen. Dort sollte der Hebel ansetzen, «und durch Hilfe zur Selbsthilfe müssen die Menschen befähigt werden, sich selbst und ihre Familien zu ernähren», betont die Welthungerhilfe einmal mehr.

Finanz- und Wirtschaftskrise rückten die Probleme der ärmeren Länder in den Hintergrund. Hilfsorganisationen warnen seit langem: Sie befürchten, dass die reichen Länder wegen der tiefen Krise ihre zugesagte Entwicklungshilfe nicht einhalten - geschweige denn noch etwas mehr drauflegen, um, wie FAO-Generaldirektor Jacques Diouf verlangt, «den Hunger in der Welt völlig und rasch auszurotten.» (dpa)
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