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02.08.2009 | 13:28 | Deutsche Geschichte  

Waldbrandkatastrophe 1975: Feuersturm verkohlt Millionen Bäume

Lüneburg - Kreisbrandmeister Friedrich Meyer aus dem niedersächsischen Gifhorn ist 45 Jahre alt, als sein Herz versagt.

Waldbrandkatastrophe 1975
(c) Evgeny Dubinchuk - fotolia.com
Es ist Freitag, der 8. August 1975. Kurz vorher, um 13.30 Uhr, hat er, Beobachter auf dem Feuerwachturm der Ortschaft Grußendorf, Alarm geschlagen. Meyer eilt schnell und beherzt an den Brandort im nahen Wald. Mit Kameraden versucht er, den sich rasend ausbreitenden Flammen Einhalt zu gebieten. Als die Feuerfront zwölf Kilometer nordöstlich der Kreisstadt Gifhorn eine Straße überspringt, setzt sich Meyer in seinen Wagen und sagt: «Ich kann nicht mehr.» Es sind seine letzten Worte. Die größte Waldbrandkatastrophe Deutschlands - nach den verheerenden Bränden von Primkenau in Oberschlesien 71 Jahre zuvor - nahm ihren Lauf.

Erst am 18. August 1975 war das Flammeninferno in der südlichen Lüneburger Heide, in den Kreisen Gifhorn, Lüchow-Dannenberg und Celle, unter Kontrolle. Zu den Opfern zählten vor allem Feuerwehrleute. Eine Gruppe war am 10 August bei Meinersen mit ihrem Fahrzeug von einer Feuerwand eingeschlossen worden, die fünf Männer verbrannten. Später verunglückte ein 21-jähriger Polizeibeamter tödlich, als er mutmaßliche Brandstifter verfolgte. Zur strafrechtlichen Verantwortung wurde am Ende niemand gezogen.

8.000 Hektar Wald und 5.000 Hektar Moor und Heide fraßen die Flammen, gegen die 3.000 Feuerwehrleute aus ganz Deutschland, 11.000 Soldaten sowie Tausende von Polizisten, Förstern, Zöllnern, Grenzschützern und Freiwilligen oft nur das Nachsehen hatten. «Es kam nach dem Tod der fünf Wehrmänner auch vor, dass Männer aus Angst, ebenfalls eingeschlossen zu werden, die Gefolgschaft verweigerten, wenn sie in eine Feuerspitze geschickt werden sollten», berichtet Forstdirektor a.D. Peter Lex.

Lex gilt seit Jahren als Experte in Sachen Waldbrand. Sein Bemühen, die Landesregierung in Hannover auf die Mängel der Waldbrandfrüherkennung hinzuweisen, trug im Sommer 2009 Früchte, als die Erfahrungen mit einem optischen Sensorensystem im Raum Cottbus in der Heide umgesetzt wurden: Von zahlreichen Kamerastandorten in luftiger Höhe wird Rauch gemeldet, den die zu DDR-Zeiten für russische Weltraummissionen entwickelten Kameras in 16.000 Grautönen sichtbar machen: «Das übertrifft alle bisherigen Infrarotsysteme», betont Lex.

34 Jahre nach dem Desaster in der Heide verfügen die Wehren über mehr Allradfahrzeuge, über Vielkanal-Funkgeräte, Bundeswehr- Waldbrandeinsatz-Karten. Sie können Wasser aus in die Erde gelassenen ausrangierten Öltanks mit bis zu 100.000 Litern Fassungsvermögen zapfen, aus Seen, Fischteichen und Kiesgruben. Längst sind das Brandschutzgesetz und das Katastrophenschutzgesetz neu geregelt, so dass heute abenteuerlich anmutende Kompetenzgerangel auf verschiedenen Beamtenebenen nicht mehr denkbar sind, die 1975 viele Brandbekämpfer verzweifeln ließen.

432 mal hat es in den zehn schicksalhaften Augusttagen 1975 in der Heide gebrannt - viermal kam es zu sogenannten Katastrophenbränden. Ermöglicht wurde das Inferno auch durch meteorologische Bedingungen: Seit mehreren Wochen herrschten hohe Temperaturen bis 35 Grad bei 20 Prozent Luftfeuchtigkeit. Am 8. August drehte der Wind von Ost auf Nordnordost, einen Tag später stand der Kiefernwald bei Eschede in Flammen, befeuert durch große, dazwischenliegende Stoppelfelder. Siedlungen wurden evakuiert.

Im Gräflich Bernstorffschen Wald, durch den 13 Minuten vor dem Feueralarm noch ein Schulbus fuhr, spielten sich auch unvergessene Szenen von Tapferkeit ab: 14 Wehrmänner, Zollbeamte und ein 72- jähriger Lehrer folgten dem Ortsbrandmeister mit Spaten, Schaufeln und Feuerpatsche in den Kiefernwald und konnten ohne Wasser den Feuersaum unterbrechen. (dpa)
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