Experten des Woods-Hole-Instituts für Ozeanographie (Massachusetts) berichteten über einen riesigen Ölschwaden in 1100 Meter Tiefe, der sich nach ihren Erkenntnissen nur langsam abbaut. Die 35 Kilometer lange Wolke war im Juni entdeckt worden, als noch täglich Öl aus einem Leck ins Wasser strömte. Neu ist jedoch das Ergebnis von Studien des Kohlenwasserstoff-Schwadens. Demnach haben die Wissenschaftler wenig Hinweise darauf gefunden, dass das Öl rasch von Mikroben gefressen wird.
Die Experten halten es für möglich, dass sich zumindest noch ein Teil der Wolke aus Öltröpfchen weiter tief im Wasser befindet - während es an der Oberfläche so aussieht, als sei alles schon sauber. Die Washingtoner Regierung hatte vor kurzem unter Berufung auf eigene Wissenschaftler berichtet, 75 Prozent des Öls im Golf sei bereits verschwunden - entweder verdunstet, zersetzt oder auch von Menschenhand abgeschöpft oder abgefackelt. In den vergangenen Tagen hatten sich wiederholt Wissenschaftler zu Wort gemeldet, die diese Darstellung bezweifeln. Die Chefin der US-Ozeanbehörde (NOAA), Jane Lubchenko, verteidigte die Regierungsangaben am Donnerstag: Sie basierten auf den Erkennntissen brillanter Wissenschaftler.
Die Experten vom Woods-Hole-Institut hatten die Ölwolke nach eigenen Angaben mit einem ferngesteuerten Roboterfahrzeug entdeckt und zehn Tage lang untersucht. Der Schwaden sei so hoch wie ein 65-stöckiges Haus gewesen und mehr als 1.600 Meter breit. «Es sieht danach aus, als ob sich das Öl relativ langsam abbaut», erläuterte Chemiker Ben Van Mooy das Ergebnis der Studie, über die das Fachjournal «Science» berichtete. Demnach besteht auch Ungewissheit über die möglichen Langzeitfolgen.
Viele Ozean-Experten glauben zwar, dass sich das Gift auf die meisten Meeresstiere nicht direkt auswirkt, weil die chemischen Stoffe in dieser Tiefe nicht stark genug konzentriert sind. Aber sie sorgen sich, dass Fischeier und Larven geschädigt werden könnten, sowie das Plankton, von dem sich Fische ernähren. Seit dem 15. Juli ist kein Öl mehr ins Wasser geflossen. Das Bohrloch im Meeresboden war zunächst provisorisch und dann von oben mit Zement abgedichtet worden. Der Ölkonzern
BP plant für Anfang Dezember die endgültige Versiegelung - dann direkt an der Quelle 4.000 Meter tief im Meeresgrund. (dpa)
Hintergrund:
Erdölfressende Bakterien
Große Mengen des Öls im Meer strömen aus natürlichen Quellen aus. Auf diese Zufuhr hat sich die Natur schon lange eingestellt. Erdöl zersetzende Bakterien sind bereits zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entdeckt worden. Inzwischen sind mehrere hundert Arten bekannt, die im Meer, in Seen, an Stränden und im Boden leben. Im riesigen Heer der Bakterien bilden sie allerdings nur eine kleine Untergruppe von Spezialisten.
Ihnen gelingt mit einem einfachen Trick, die eigentlich unverdaulichen Kohlenwasserstoffe im Erdöl zu verdauen. Sie heften Sauerstoffatome an diese Kohlenstoffketten. Dadurch entstehen aus dem Öl Fettsäuren, die die Bakterien verzehren können. Im Labor lässt sich beobachten, wie ein Ölfilm innerhalb weniger Tage erst in kleine Inseln zerreißt und dann die Öltropfen mit der Zeit verschwinden.
Die Bakterien benötigen jedoch Mineralsalze und Sauerstoff, die vor allem im Wasser nur in geringen Mengen vorhanden sind. So liegt der Sauerstoffanteil bei rund 7 Millilitern in einem Liter Wasser. Um 0,2 Milliliter Erdöl zu zersetzen, brauchen die Bakterien nach Berechnungen des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen den Sauerstoff aus 80 Litern Wasser.
Die Bakterien stoßen an ihre Grenzen, wenn sie eine große, geschlossen Ölfläche vor sich haben oder Teerklumpen am Strand. Dann finden sie nur schwer Angriffsflächen. Die Zersetzung kann sich dann verzögern, bei Teerklumpen dauert sie oft Jahrzehnte.