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19.03.2011 | 14:03 | Pflanzenschutzmittelrückstände 

AGES: Pflanzenschutzmittelrückstände in Obst und Gemüse - Schluss mit Verunsicherung der KonsumentInnen!

Wien - AGES fordert eine objektive Risikokommunikation auf Grundlage wissenschaftlich basierter Daten, unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, mit dem Ziel sicherer und hochwertiger Lebensmittel.

Pflanzenschutzmittel
(c) proplanta
Bei der hochrangig besetzten FachexpertInnen-Veranstaltung "Obst und Gemüse im Spannungsfeld Pflanzenschutzmittel" wurde das Thema Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln aus Sicht der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion, des Handels bis hin zu KonsumentInnen-Wünschen diskutiert. Für die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sind die gesetzlichen Standards wirksam: Die Anzahl an Höchstmengen-Überschreitungen in Österreich ist stark gesunken - von 178 im Jahr 2002 auf 49 im Jahr 2010. Insgesamt hat sich die Situation bezüglich Pflanzenschutzmittelrückständen in Obst und Gemüse durch vielfältige Maßnahmen verbessert. Die AGES-ExpertInnen führen dies auf die Harmonisierung der gesetzlichen Höchstwerte innerhalb Europas, eine verbesserte Agrarpraxis der Erzeuger, die risikobasierten Kontrollen der amtlichen Lebensmittelüberwachung sowie transparente Qualitätssicherungsprogramme wie das AMA-Gütesiegel und Marketingmaßnahmen bzw. Pestizidreduktionsprogramme des Handels und NGO’s zurück. Aus Sicht der AGES sollte der gemeinsame Weg fortgesetzt werden.

FachexpertInnen des Landwirtschafts- und Gesundheitsministeriums, der Landwirtschafts- und Arbeiterkammer, der Obst- und Gemüsewirtschaft und der Agrarmarkt Austria nahmen bei der „Pflanzenschutzmittel-Rückstände Tagung“ zu den Themen Konsumentenerwartungen und -schutz, Gütesiegel- und Handelsstandards, Lebensmittelsicherheit und Ernährungssicherung sowie zum Pflanzenschutzmitteleinsatz aus Sicht der Produzenten Stellung. Der Verein für Konsumenteninformation, Global 2000 und Vertreter der beiden größten Handelsketten in Österreich argumentierten mit ihren Marketingprogrammen in Richtung Reduktion der gesetzlich festgelegten Höchstwerte von Pflanzenschutzmittelrückständen. Für die AGES wird die Risikowahrnehmung der KonsumentInnen zwischen Marketingstrategie und medialer Hysterie gelenkt. Die AGES fordert alle Beteiligten zu einer objektiven Risikokommunikation auf Grundlage wissenschaftlich basierter Daten auf - unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, mit dem Ziel sicherer und hochwertiger Lebensmittel und einem Ende der Verunsicherung der KonsumentInnen.

Wie unterschiedlich die Risiko-Wahrnehmung der Öffentlichkeit im Gegensatz zur tatsächlichen Situation ist, zeigt sich gerade am Beispiel von Pestizidrückständen: Das Thema liegt laut Ergebnis einer europaweit durchgeführten Befragung (Eurobarometer) von ca. 27.000 EU-BürgerInnen aus den 27 Mitgliedstaaten mit 67 Prozent an der Spitze der Besorgnisskala der ÖsterreicherInnen, welche diese Sorge in gleichem Maß wie die übrigen EuropäerInnen teilen. Hingegen wurden im Jahr 2010 lediglich 0,25 Prozent von mehr als 2.500 auf Pflanzenschutzmittel-Rückstände untersuchten Lebensmittelproben als „für den Verzehr ungeeignet“ (9 Proben) bzw. „gesundheitsschädlich“ (3 Proben) beurteilt. In Österreich überprüft die AGES gemeinsam mit der Lebensmittelaufsicht diese Eigenkontrollen, indem nach einem jährlich festgelegten Probenplan „Stichproben“ in den Vermarktungsebenen (u.a. Groß-, Detailhandel), untersucht werden. Hauptaugenmerk liegt auf einem breiten Untersuchungsspektrum, damit möglichst alle Pestizide, die in einer Probe enthalten sind, auch nachgewiesen werden können. Bedingt durch unterschiedliche Produktionsweisen werden je nach Herkunft bzw. Kultur Spuren von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen.

Daher müsse das emotionale Thema in der Kommunikation besonders sorgsam behandelt werden. Dem will man seitens der AGES mit transparenter Information, EU-weitem Datenaustausch über das europäische RASFF-Frühwarnsystem und auf Basis wissenschaftlich fundierter Fakten begegnen. Gerade aufgrund des hohen präventiven Potentials von Obst und Gemüse für die Gesundheit der Menschen dürfe deren Verzehr als Basis der „Ernährungspyramide“ in der Wahrnehmung der KonsumentInnen nicht mit einem Gesundheitsrisiko verbunden werden. Die positiven Aspekte überragen bei weitem mögliche Nachteile eventuell in Spuren vorhandener Pflanzenschutzmittelrückstände und rechtfertigen die Empfehlung zum täglichen Verzehr von fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag. Studien zeigen, dass mit jeder zusätzlich verzehrten Portion Obst und Gemüse das Risiko für Schlaganfall um 5 Prozent und für Herz-Kreislauferkrankungen um 4 Prozent verringert werden kann. Ein zu niedriger Obst- und Gemüseverzehr ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO hingegen einer der sieben Hauptrisikofaktoren für Erkrankungen und Tod.

Insgesamt ist festzuhalten, dass eine gesundheitliche Gefährdung der österreichischen Bevölkerung durch Pflanzenschutzmittelrückstände durch wirksame Zulassungen, verantwortungsvolle Anwendung und Kontrollen auszuschließen ist.


Fakten zur Risikobewertung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

In ihren Vorträgen stellten die AGES-ExpertInnen ihre wissenschaftliche und analytische Verantwortung bezüglich toxikologischer Risikobewertung und risikobasiertem Konsumentenschutz dar und präsentieren Ergebnisse und Konsequenzen aus den Rückstandsuntersuchungen.

Gesetzliche Höchstmengen werden auf Basis einer gesundheitlichen Risikobewertung abgeleitet und folgen einem sehr vorsorgebetonten Ansatz. Dazu werden umfangreiche Studien zur Toxikologie bewertet, unter Voraussetzung einer täglichen, lebenslangen Aufnahme des Wirkstoffes/Metaboliten durch den Konsumenten hochgerechnet und unter Einbeziehung von Sicherheitsfaktoren (mindestens Faktor 100 zur „Dosis ohne Wirkung“) dann die toxikologischen Referenzwerte (ADI - Acceptable daily intake/Wert für eine tägliche, lebenslange Aufnahme; ARfD - Acute reference dose/Wert für eine kurzfristige Aufnahme) festgesetzt. Diese toxikologischen Referenzwerte werden dann mit der möglichen Exposition des Konsumenten von Pflanzenschutzmittel-Rückständen über die Nahrung verglichen (Berechnung der gesetzlichen Höchstmenge – „MRL“ – maximum residue level). Ist die Exposition geringer als die toxikologischen Referenzwerte, wird kein Risiko für den Konsumenten identifiziert.

Zur Frage der Mehrfachrückstände sei erwähnt, dass Proben, die Mehrfachrückstände enthalten, Wirkstoffe darstellen, die unterschiedlichen Stoffgruppen (mit unterschiedlichen toxikologischen Wirkungen) angehören. Daher ist bei Expositionen gegenüber einem Gemisch von Pestiziden mit unterschiedlichen Wirkmechanismen im Niedrig-Dosis-Bereich („Dosen ohne Wirkung“) weder eine additive noch eine potenzierende Wirkung zu erwarten. Aus der Sicht der Risikobewertung ist demnach der gesundheitliche KonsumentInnenenschutz ausreichend gewährleistet. Die Notwendigkeit der Ableitung von „Sekundärstandards“, wie sie von Handelsketten im Rahmen ihres Marketingkonzeptes durchgeführt werden, ist daher vom wissenschaftlichen Standpunkt aus zum Zweck des Verbraucherschutzes nicht gegeben.

Der Einsatz unterschiedlicher Pflanzenschutzmittel ist essentieller Bestandteil des integrierten Pflanzenbaus und Pflanzenschutzes zur Minimierung der Pflanzenschutzmittel-Einsatzes einerseits und der Prävention gegenüber Resistenzen andererseits. Die Strategie der EU-Pflanzenschutzrechtssetzung setzt daher auf umfassende integrierte Produktionssysteme zur Minimierung des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes. Nachhaltig integrierter Pflanzenbau ist in Österreich durch das ÖPUL-Umweltprogramm bei Obst und Gemüse nahezu flächendeckend in der Landwirtschaft umgesetzt. (ages)
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Kommentare 
R.M. schrieb am 19.03.2011 14:39 Uhrzustimmen(120) widersprechen(66)
Solange danach bei Greenpeace ein-zwei Monate lang die Spendeneingänge steigen, wird es auch weiterhin jedes Jahr "Rückstandsskandale" geben. Darauf, dass die Presse sowas schön hochkocht kann man sich natürlich sowieso verlassen
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