Auf T24 sind die Energiemanager gerade nicht gut zu sprechen. «Ein Riesen-Problem», heißt es unisono. Vom Wunder-Stahl hat sich T24 zum Krisen-Stahl entwickelt. Neun Kohlekraftwerke werden derzeit mit dem Stahl gebaut, der höheren Temperaturen standhalten und so den Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke auf bis zu 46 Prozent erhöhen soll. Doch weil der Stahl bei Probeläufen in den Dampfkesseln an hunderten Stellen riss, zeichnen sich lange Verzögerungen ab, mit unabsehbaren Konsequenzen. Eigentlich sollen die Anlagen die Stilllegung von acht Atomkraftwerken abfedern, das Stromnetz stabilisieren und das Klima weniger verpesten als alte Kohlemeiler.
Im Mai wurde der Erprobungsbetrieb im Evonik-Kraftwerksblock in Duisburg-Walsum abgebrochen. Grund waren Risse im Verdampferteil des Kessels. «Nach einer intensiven Untersuchung wurden an rund 500 Schweißnähten Undichtigkeiten festgestellt», sagt Evonik-Sprecherin Edda Schulze. Ob man gegen den Hersteller Hitachi vorgehen wird, will sie nicht sagen. Den Vorwurf, T24 sei nicht genug geprüft worden, weist Schulze zurück. «Beim Bau des Kraftwerks sind ausschließlich geprüfte und zertifizierte Werkstoffe verwendet worden.» Die Undichtigkeiten seien erst im Erprobungsbetrieb aufgetreten.
Die Problematik könne zu erheblichen Verzögerungen führen, «was die Netzprobleme weiter verschärfen würde», sagt EnBW-Chef Hans-Peter Villis. Man müsse auch schauen, wie es beim EnBW-Steinkohlekraftwerk RDK 8 in Karlsruhe weitergeht. Auch hier wurde T24 verwendet. RDK 8 wäre «sehr hilfreich, um wegfallende Erzeugung gerade im Südwesten Deutschlands zu ersetzen», so Villis. Es sollte 2012 ans Netz gehen.
Die Bundesnetzagentur fragt gerade bei allen Energieversorgern ab, was sie an kalten Reserven haben, also kleine oder große Kraftwerke, die rasch wieder in Betrieb genommen werden und dank Gas oder Kohle Strom liefern können. Bis 2020 will die Regierung neue Kraftwerke mit einer Leistung von 10.000 Megawatt. Wenn die da nicht eingerechneten T24-Kraftwerke erst in mehreren Jahren zur Verfügung stehen und womöglich Kessel ganz ausgetauscht werden müssen, verschärft sich das Problem. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung zwar auf neue Gaskraftwerke setzt - hierfür gibt es aber kaum Investoren, da das zu unrentabel erscheint. So könnte die Problematik dazu führen, dass tatsächlich ein Atomkraftwerk als Kaltreserve in «Stand By» bleibt.
Doch für die Bundesregierung ist das nicht die einzige Sorge. Damit Deutschland Vorreiter beim
Klimaschutz bleibt, soll bis 2017 erprobt werden, ob die CCS(Carbon Capture and Storage)-Technologie zur Abscheidung des klimaschädlichen
CO2 bei der Kohleverbrennung ein Zukunftsmodell ist. Denn Kohle hat noch einen Stromanteil von 40 Prozent und ist Klimakiller Nr. 1. Das Kohlendioxid soll unterirdisch gespeichert werden. Doch der Widerstand gegen CO2-Endlager ist groß, die Bürger drohen der Regierung mit einem Kampf á la Stuttgart 21.
Eine Ausstiegsklausel ermöglicht es den Ländern nun, pauschal nein zu sagen, was das am Donnerstagabend vom
Bundestag beschlossene Gesetz nach Meinung vieler ad absurdum führt. Das von
CDU und FDP regierte Schleswig-Holstein will davon Gebrauch machen, da hier viele potenziell geeignete Speicherstätten liegen.
Daher dürfte nur im brandenburgischen Jänschwalde bis frühestens 2015 ein 250 Megawatt-Demonstrationskraftwerk errichtet werden. Der Energiekonzern
Vattenfall ist höchst unglücklich mit dem Gesetz, da es CCS ausbremse - eine klare Absage an die Ausstiegsklausel ist das. Milliardeninvestitionen und große CO2-Minderungspotenziale stünden auf dem Spiel, sagt Hartmuth Zeiß, Chef der Vattenfall Europe Mining. Er fürchtet indirekt ein Aus für CCS in Deutschland.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) sagt: «Wir können den Bürgern in Brandenburg nicht klar machen, dass CCS sicher ist, wenn andere Bundesländer es für unsicher erklären». Angesichts des massiven Protests etwa im möglichen Speicherort Beeskow südöstlich von Berlin, wo Bürger Gasmasken über ihre Zäune gehängt haben, stellt sich sowieso die Frage, ob es überhaupt jemals einen großen unterirdischen CO2-Speicher in Deutschland geben wird.
Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer sagt: «Ein
Gesetzentwurf mit einer Länderklausel, die grundsätzlich gegensätzliche Interpretationen zulässt, ist das Papier nicht wert auf dem es steht.» Die Regierung müsse sehen, dass CCS nicht durchsetzbar sei.
Die Technologie, die die Kohleverstromung massiv verteuern dürfte und nicht vor 2020 serienreif sein wird, könnte angesichts des langfristig geplanten Kohleausstiegs sowieso zu spät kommen. Daher könnte sie eher als Exportgut für Kohle-Länder wie China interessant sein. EnBW-Chef Villis prophezeit: «Ich gehe davon aus, dass hier kurzfristig kein CCS-Kraftwerk gebaut werden wird, aber die Technologie dennoch ein Exportschlager werden könnte». (dpa)