Nach etlichen politischen, privaten und gesundheitlichen Krisen und ebenso vielen Erfolgen und Höhenflügen ist Horst
Seehofer am Ziel. Er ist CSU-Vorsitzender, was er schon immer sein wollte, und zugleich bayerischer Ministerpräsident - womit er nie gerechnet hätte. Das reicht ihm. Auch Bundeskanzler, Bundespräsident oder EU- Kommissionspräsident will er nicht mehr werden. «Ein neues Treppchen gibt's nicht mehr, das weiß ich ganz sicher», sagt er. An diesem Samstag feiert der Ingolstädter seinen 60. Geburtstag.
Und zur Feier des Tages wird Seehofer das tun, was er seit seinem Amtsantritt im vergangenen Herbst gern macht: mit den Menschen reden, sich als Mann des einfachen Volkes geben, den Landesvater spielen. Denn just am 4. Juli hat er zum Tag der Offenen Tür in die Münchner Staatskanzlei, seine Regierungszentrale, geladen. Die Bayern werden zu Tausenden kommen. Und sie werden einen Ministerpräsidenten erleben, der charmant den ganzen Ärger dieser Tage weglächeln wird - das Hickhack mit dem Bund um die Quelle-Rettung, die ewigen Debatten mit der Schwesterpartei
CDU über das gemeinsame Wahlprogramm, aber auch die Medienberichte der vergangenen Wochen über sein Privatleben.
Doch Seehofer hat schon ganz anderes durchgestanden in den vergangenen Jahren. Zuallererst gesundheitlich. Vor acht Jahren wurde er nach einer verschleppten Grippe mit einer lebensgefährlichen Herzmuskelentzündung ins Krankenhaus eingeliefert, lag lange auf der Intensivstation. Nur ganz langsam ging es wieder aufwärts, und nur ganz langsam konnte er wieder auf die politische Bühne zurückkehren. «Geburtstag ist kein Verdienst, das ist ein Glück», sagt Seehofer heute. «Ich bin einfach dankbar, dass ich gut beieinander bin.» Aber auch in seiner langen politischen Karriere hat der groß gewachsene Seehofer grandiose Erfolge ebenso wie krachende Niederlagen erlebt. Kaum einer kennt sich mit dem politischen Auf und Ab so gut aus wie er. Stehaufmännchen der CSU wurde er genannt.
Seit 1980 im Bundestag, erreichte Seehofer den ersten politischen Gipfel 1992, als er Bundesgesundheitsminister in der Regierung Kohl wurde. In diesem Amt erwarb er sich parteiübergreifend Respekt, galt fortan auch als das «soziale Gewissen» der CSU. Doch dann kam 1998 die Wahlniederlage für die Union - und für Seehofer folgten bittere Jahre. Nach langem Streit mit der CDU über die Gesundheitspolitik gab der Oberbayer zuerst die Zuständigkeit für die Sozialpolitik ab, wenig später trat er als Fraktionsvize der Union im
Bundestag zurück. Ein Jahr vor der
Bundestagswahl 2005 war Seehofer - wie er selbst sagte - «politisch tot». Doch der Hüne mit dem Lausbubenlächeln kam wieder: als Bundesagrarminister, durchgesetzt von Edmund Stoiber.
Nach dem Sturz Stoibers, im Jahr 2007, wollte sich Seehofer seinen Lebenstraum erfüllen und CSU-Chef werden. Er scheiterte, Konkurrent Erwin Huber setzte sich in einer Kampfabstimmung durch. In den Monaten zuvor hatte die Liebesaffäre des verheirateten dreifachen Familienvaters Seehofer mit einer viel jüngeren Bundestagsmitarbeiterin für Wirbel gesorgt - und die Nachricht, dass er zum vierten Mal Vater wurde.
Doch der Triumph für Seehofer folgte ein Jahr später: Nach dem historischen CSU-Fiasko bei der Landtagswahl 2008 wurde Seehofer von seiner Partei von Berlin nach München geholt - als «letzte Patrone im Colt der CSU», wie es der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter ausdrückte. Nur Seehofer traute man es zu, die Partei wieder aus dem Tal der Tränen zu führen. Und tatsächlich feierte der Politprofi bei der Europawahl Anfang Juni einen ersten wichtigen Erfolg: Die Christsozialen kamen wieder an die magische 50-Prozent-Marke heran.
Seehofers Machtposition ist deshalb derzeit unangefochten. Kritik lässt er an sich abperlen. «Ach wissen Sie...» - so fängt er an, wenn er beteuert, wie wenig ihm das Ganze ausmache. Die Vorwürfe, er sei ein Einzelkämpfer oder ein Chamäleon, weil er seine politischen Positionen im Minutentakt wechsle. Die Vorhaltungen, er sei ein Taktierer, weil er sich so oft nicht festlege und sich quasi bis zur letzten Minute mehrere Hintertürchen offenhalte. Das Schönste sei, wenn das Gegenüber erst nach fünf oder sechs Zügen merke, welche Bedeutung der erste Zug hatte, pflegt Seehofer selbst zu sagen.
Und welches Ziel hat er noch mit 60? Wenn er also die Marke erreicht, mit der er bei der Regierungsbildung für Schlagzeilen sorgte, weil er alle über 60-Jährigen aus dem Kabinett warf? «Die Mission zu Ende bringen», sagt Seehofer. «Ich möchte den Punkt erreichen, an dem ich aus freien Stücken und ohne jeden Druck von außen sagen kann, die Stabübergabe erfolgt. Das ist mein politisches Ziel.» (dpa)