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06.05.2024 | 00:06 | Parteipolitik 

Agrarpolitik der Grünen erntet Kritik

Neumünster - Höfesterben, Bürokratie und Vorgaben: Schleswig-Holsteins Grüne haben sich am Sonntag mit der Agrarpolitik beschäftigt und mussten dabei Kritik von prominenten Gästen einstecken.

Cem Özdemir
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Kritische Worte der Gäste: Spitzenvertreter der Landwirtschaft nehmen sich als Gäste die Politik der Grünen vor. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. (c) proplanta
Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht kritisierte die Agrarpolitik auf Bundes- und Landesebene: «Sie alle müssen verstehen, dass die Landwirtschaft in ihrer gesamten Vielfalt der Motor im ländlichen Raum ist.»

Lucht griff vor allem die Bundesregierung an. Die Bauern seien sehr unzufrieden mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesagrarminister Cem Özdemir, die beide den Grünen angehören.

«Alles, was wir dort an Programm sehen, hat nichts mit praktischer Landwirtschaft zu tun.» Das Tierschutzgesetz gefalle ihm in einigen Punkten gar nicht. Die Bundesregierung setze oftmals EU-Recht eins zu eins in deutsches Recht um.

Die Grünen wollen Zahlungen an Landwirte konsequent an Gemeinwohlkriterien binden. Statt Flächenprämien soll es Geld geben, wenn Höfe für Artenvielfalt, Naturschutz, pestizidarmes und ökologisches Wirtschaften sowie mehr Tierwohl und Klimaneutralität auf Erträge und damit Einkommen verzichten. Hilfen sollen zudem verstärkt kleinen und mittleren Betriebe zugutekommen, um das Höfesterben zumindest zu verlangsamen.

«Das Höfesterben hat keine Parteifarbe», sagte die Grünen-Landesvorsitzende Anke Erdmann. «Wachse oder weiche» sei kein grüner Schlachtruf, sondern eine gesellschaftliche Entwicklung gewesen. «Ich bin auch besorgt und irritiert.» Umweltminister Tobias Goldschmidt verteidigte die Agrarpolitik von Schwarz-Grün. Es sei keinesfalls so, dass keine Förderung in die Fläche gehe. «Am Ende werden wir sehen, dass wir eigentlich dasselbe wollen.»

Kirsten Wosnitza von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft sprach von einer tiefen Frustration. Jahrzehntelang sei die Effizienz immer weiter gesteigert worden, oft nicht kostendeckend. «Davon ist vor allem die Tierhaltung betroffen.» Politik und Gesellschaft lieferten bislang keine echten Auswege aus dem Dilemma. «Das erzeugt Frust und bringt Bauern auf die Straße.» Ihre Forderungen blieben weitgehend ungehört.

«Die Grünen haben sich weggeduckt, auf Landes- und auf Bundesebene.» Nötig sei ein Umbau der Tierhaltung. «Aber dafür braucht es Planungssicherheit.» Den Grünen riet sie: «Lasst Euch nicht einschüchtern, die richtigen Dinge zu tun und die wenig hilfreichen zu lassen.»

Lang und die Europawahl

Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang und der Europaabgeordnete Rasmus Andresen warnten vor einem Rechtsruck. «Ich erwarte von allen demokratischen Kräften, dass sie sich bekennen: Keine Zusammenarbeit mit rechtsnationalen und rechtsextremen Kräften, nicht in Deutschland und nicht im Europaparlament», sagte Lang. Schleswig-Holstein und dessen schwarz-grüne Regierung sei ein Vorbild, Politik müsse nicht immer nur Hauen und Stechen sein.

Zwischenbilanz der eigenen Regierungsbeteiligungen

Bei einer Generaldebatte am Samstag über die Regierungsbeteiligungen auf Landes- und Bundesebene hatten sich die meisten Redner überwiegend zufrieden mit dem Erreichten gezeigt. «Es ist nicht leicht in dieser Zeit ? und gerade als Grüner ? Politik zu machen», sagte Sozialministerin Aminata Touré. Für Erdmann geht es angesichts schwieriger Zeiten nicht um «Wünsch-Dir-was-Koalitionen». Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe das bereits verstanden. Kompromisse klängen nicht immer sexy, sondern teils eher wie Spargelcreme-Suppe aus der Tüte.

Kritisch mit Blick auf die Ampel-Politik äußerte sich Katharina Krewitz von der Grünen Jugend. Sie sprach von ungerechten Asylrechtsverschärfungen wie der Bezahlkarte. «Regierungsfähig sein, heißt nicht, sich dem Einheitsbrei von SPD und CDU anzuschließen.» Antrieb einer Regierungsbeteiligung dürfe nicht Angst sein, dass andere es schlechter machten.

Umweltminister Goldschmidt sprach von harten Verhandlungen mit guten Kompromissen der schwarz-grünen Koalition im Land und bemühte einen Fußballvergleich. Die CDU stehe teils mit elf Mann auf der Torlinie. «Das Bündnis funktioniert. Es war die richtige Entscheidung», sagte Finanzministerin Monika Heinold.

Inhaltlich setzte sich die Partei auch mit der umstrittenen CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur unterirdischen Speicherung von CO2 auseinander. In einem Beschluss definierte sie Ausschlussgebiete: Die CO2-Speicherung in Naturschutz-, Natura 2000- und FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat), Biosphärenreservaten sowie in Nationalparks lehnt sie klar ab, ebenso eine Deponierung innerhalb des Nationalparks Wattenmeer.
dpa/lno
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