In der Sache aber, da übt die Wirtschaft wenige Monate nach dem Start der neuen Bundesregierung deutliche Kritik. Zwar spricht Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer von «Licht und Schatten». Doch keiner der versammelten Präsidenten macht einen Hehl daraus, dass er derzeit mehr Schatten als Licht in der schwarz-roten Politik sieht.
Bei der Pressekonferenz nach dem Spitzengespräch hört sich das - wie immer - zwar sehr diplomatisch an. Von «intensiven Gesprächen» ist da die Rede, Merkel selbst spricht von einem «intensiven Dialog». Und Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagt vorsichtig nur, dass es auch Themen gebe, «wo wir hoffen, dass man da vielleicht noch einmal das eine oder andere Korrektiv einziehen kann».
Viel Kritik übt die Wirtschaft etwa an der Arbeitsmarktpolitik von Union und
SPD, an der geplanten abschlagsfreien Rente mit 63, oder am gesetzlichen Mindestlohn. Eine «Rolle rückwärts» sei die Rente mit 63, schimpft Wollseifer, bevor Merkel kommt. Auch der Präsident des Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, kritisiert: «Uns werden in zehn Jahren sechs Millionen Fachkräfte fehlen. Das ist ein Riesenproblem für die Wirtschaft, für das Land.»
Mit dem geplanten gesetzlichen Mindestlohn ist die Wirtschaft ohnehin unzufrieden - sie sieht die Lohnfindung eigentlich als Aufgabe der Tarifparteien. «Gut gemeint, aber nicht gut gemacht», klagt Schweitzer über die schwarz-roten Pläne. Die Wirtschaft sorgt sich unter anderem, dass die Höhe des Mindestlohns nun immer vor Wahlen neu zur Disposition stehen könnte. Erreichen will sie wenigstens, dass es am Ende ausreichend Ausnahmeregelungen geben wird.
Merkel signalisiert Entgegenkommen, aber nur ein klein bisschen. «Sie dürfen davon ausgehen, dass wir Ihre Ratschläge auch aufnehmen und sicherlich auch einiges davon umsetzen.» Versprechen will sie nichts.
Unzufrieden ist die Wirtschaft aber auch mit der Ausrichtung der Wirtschaftspolitik insgesamt. Von einem «Innovationsdefizit» sprechen die Verbandsspitzen und warnen vor einem Zurückfallen des Wirtschaftsstandorts Deutschland - freilich ebenfalls diplomatisch verpackt.
Und: Die Wirtschaft sorgt sich angesichts der Energiewende um bezahlbare Strompreise. Wenn man sich nicht auf «wettbewerbsfähige Strompreise» verlassen könne, seien hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet. In dem Punkt sichert Merkel zu, in Brüssel für die Ausnahmeregelungen zu kämpfen. Wenn man wolle, dass Deutschland weiter Stabilitätsanker und Zugpferd in Europa sei, dann müsse Deutschland energieintensive Unternehmen weiter von der EEG-Umlage befreien können. Das werde sie auf dem EU-Gipfel kommende Woche «sehr deutlich machen».
In einem anderen Punkt freut sich Merkel im Gegenzug über den Rückhalt der Verbände. In der Krim-Krise warnt die deutsche Wirtschaft zwar vor negativen Folgen möglicher Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Aber: «Wenn klar gegen das Völkerrecht verstoßen wird, dann müssen Sanktionen getroffen werden.» Doch sowohl Merkel als auch die Wirtschaft hoffen darauf, dass Sanktionen am Ende nicht nötig sein werden - sondern dass doch noch die Diplomatie siegt. (dpa)