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23.01.2008 | 14:54 | Gentechnik-Kennzeichnung 

"Ohne Gentechnik" pragmatisch oder irreführend?

Bonn - Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung der Gentechnik-Kennzeichnung bei tierischen Lebensmitteln stößt auf großes Interesse. Dementsprechend gut besucht war die öffentliche Anhörung des Ernährungsausschusses im Deutschen Bundestag am 16. Januar 2008.

Deutscher Bundestag
(c) proplanta
Die Fronten waren klar: Die Vertreter der Ernährungsindustrie und der Futtermittelwirtschaft sowie ein Einzelexperte sehen in der vorgesehenen Kennzeichnung "ohne Gentechnik" eine Irreführung der Konsumenten. Für die Verbraucherverbände und einige Einzelsachverständige hingegen ist sie eine pragmatische Lösung mit Potenzial zur Markterschließung. Dass die Kennzeichnung "ohne Gentechnik", die Nachfrage nach diesen Produkten erhöhen wird, darüber waren sich die meisten aber einig.

Professor Dr. Klaus-Dieter Jany vom Bundesinstitut für Ernährung und Lebensmittel gab zu bedenken, dass die geplanten Änderungen leicht zu dem Vorwurf führen könnten, die Lebensmittelhersteller würden Verbraucher über den Einsatz der Gentechnik täuschen. Ob die vorgesehene Regelung mit Paragraph 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vereinbar sei, hält er für fraglich. Der Verbraucher vertraue darauf, dass sein Lebensmittel auf keiner Stufe der Verarbeitung mit der Gentechnik in Berührung gekommen sei. Die derzeit geplanten Kennzeichnungskriterien würden dafür nicht ausreichen.

Auch nach Ansicht des Einzelsachverständigen Dr. Christoph Then darf die Gentechnik-Kennzeichnung nicht irreführend sein, damit die Verbraucher ihr vertrauen können. Gleichzeitig müsse sie aber auch praktikabel sein, um auf dem Markt eine Lenkungs- und Anreizfunktion zu entfalten. Die Verfügbarkeit gentechnikfreier Futterpflanzen sei derzeit zwar noch gut. Angesichts etwas höherer Kosten müsse dieser Markt aber durch wirtschaftliche Anreize stabilisiert werden.

Gerd Billen vom Verbraucherzentrale Bundesverband geht davon aus, dass es sich für die großen Futtermittelunternehmen in Deutschland auch in Zukunft nicht lohnen wird, sowohl gentechnikfreies als auch Gentechfutter innerhalb eines Betriebes herzustellen. Vor allem in Brasilien stünden aber Flächen zur Verfügung, die bei einer entsprechenden europäischen Nachfrage gentechnikfrei bewirtschaftet werden würden. Daher müsse Europa klare Nachfragesignale setzen, damit auch das Angebot in Gang komme.

Ob die jetzt gefundene Regelung der Weisheit letzter Schluss ist, sei dahin gestellt. Natürlich bedeutet sie für den Verbraucher nicht die absolute Transparenz, sondern belässt eine Restunsicherheit bei vielen Produkten. Dass aber so die Märkte für gentechnikfreie Produkte gesichert und damit die Wahlfreiheit für Verbraucher überhaupt erhalten bleibt, dürfte ziemlich sicher sein. (aid)
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