Weil sie schädliche Stoffe aus den Schloten einatmen, klagen Menschen etwa häufiger über Atemwegsleiden, Asthmaanfälle oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wegen der Behandlung dieser Krankheiten und der verkürzten Lebenserwartung entstünden dem Gesundheitssystem und der Wirtschaft jährlich insgesamt Kosten zwischen 2,3 und 6,4 Milliarden Euro, berechnete der Umwelt- und Gesundheitsverband Heal in einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie.
Anhand einer Modellrechnung schreiben die Autoren der Studie deutschen Kohlekraftwerken für das Jahr 2009 mehr als 2.700 vorzeitige Todesfälle zu, was knapp 29 300 verlorenen Lebensjahren entspreche. Diese Umrechnung der verkürzten Lebenserwartung in vorzeitige Todesfälle gilt in Teilen der Wissenschaft allerdings als umstritten.
«Unser Bericht gibt die erste jemals aufgestellte Berechnung der gesundheitlichen Kosten, die infolge von Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke entsteht», sagte Anne Stauffer, stellvertretende Heal-Geschäftsführerin. Aktuell seien etwa 50 neue Kohlekraftwerke in Europa geplant, weshalb eine Debatte über den baldigen Ausstieg aus der Kohleenergie notwendig sei.
Dass Kohlekraftwerke durch Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide und Schwefeldioxid die Gesundheit schädigen, stellte Anfang April bereits die Umweltorganisation
Greenpeace in einer vergleichbaren Studie fest. Auch das
Umweltbundesamt teilt diese Einschätzung. Allerdings verursachten Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Hausfeuerungsanlagen ebenfalls giftigen Feinstaub - oft in weitaus höherem Maß als Kohlekraftwerke, sagte Stephan Haufe, Sprecher des Umweltbundesamtes. «Generell ist festzustellen, dass der Trend der Feinstaubemissionen tendenziell über die Jahre rückläufig ist.»
Die Kraftwerksbetreiber reagierten mit Kritik auf die Studie. Kohlekraftwerke in Deutschland stießen laut einer vom Betreiber VGB Powertech in Auftrag gegebenen Untersuchung weniger als sechs Prozent des Feinstaubs aus. Die Industrie sei mit 37 Prozent für den meisten Feinstaub verantwortlich, gefolgt von Verkehr (18 Prozent) und Landwirtschaft (17 Prozent).
Der Energiekonzern Vattenfall, der laut Greenpeace vier der zehn schädlichsten deutschen Kraftwerke betreibt, glaubt auch bei einem sofortigen Ausstieg aus der Kohlenergie nicht an viel gesündere Luft. «Selbst wenn
Vattenfall alle Kohlekraftwerke außer Betrieb nehmen würde, würde das zu keiner spürbaren Verbesserung der Luftqualität führen», sagte Vattenfall-Kraftwerksvorstand Hubertus Altmann.
Schon Anfang März hatte der Verband Heal seine Ergebnisse für ganz Europa in Brüssel vorgestellt. Europaweit liegen die von Kohlekraftwerken ausgehenden Gesundheitskosten demnach zwischen 15,5 und 42,8 Milliarden Euro. Diese Studie war auch im «British Medical Journal» erschienen. Heal ist ein Zusammenschluss von etwa 70 europäischen Organisationen, die sich mit Themen rund um Umwelt und Gesundheit beschäftigen. (dpa)