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01.05.2024 | 08:04 | Kohleausstieg 

G7 nehmen sich Kohleausstieg vor - deutsche Reaktionen gemischt

Turin - Die führenden westlichen Industrienationen (G7) wollen bis 2035 aus der Kohleverstromung aussteigen. Darauf haben sich die für Klima, Energie und Umwelt zuständigen G7-Ministerinnen und -Minister bei ihrem Treffen nahe dem italienischen Turin geeinigt, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Abschlusserklärung hervorgeht.

Energiewende
Noch spielt die klimaschädliche Kohle eine wichtige Rolle in vielen Ländern. Nun fassen die G7-Staaten den Ausstieg bis 2035 ins Auge. Was bedeutet das für Deutschland? (c) tomas - fotolia.com
Italien hat in diesem Jahr die Präsidentschaft der G7-Staatengruppe inne, zu der auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Kanada und die USA gehören. Zudem ist die EU bei den Treffen vertreten. Für Deutschland hat der Beschluss nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck keine Auswirkungen. «Für Europa und Deutschland heißt es faktisch nichts», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Hannover. Er begründete das mit der Wirkung des europäischen CO2-Handels.

Nach Gesetzeslage will Deutschland bis 2038 aus der Kohle aussteigen. Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen hatte im Koalitionsvertrag Ende 2021 aber vereinbart, diesen Schritt «idealerweise» auf 2030 vorzuziehen. Für das Kohlerevier in Nordrhein-Westfalen steht schon ein Ausstieg bis 2030 fest. Im strukturschwachen Osten, wo Braunkohle in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt gefördert und verstromt wird, gibt es aber starke Vorbehalte gegen einen Ausstieg vor 2038. In Deutschland stammten 2023 noch gut 25 Prozent des Stroms aus Kohle, und zwar 17 Prozent aus Braunkohle und 8,6 Prozent aus Steinkohle.

Eine neue Vereinbarung für die ostdeutschen Reviere sei nicht nötig, argumentierte Habeck. Mit der Verknappung der Zertifikate im europäischen Emissionshandel werde der Preis dafür sorgen, dass die Braunkohle aus dem Markt gedrängt werde. Der Emissionshandel sei damit weiter als die Gesetzeslage in Deutschland. «Die brauchen wir aber deswegen aus meiner Sicht jetzt nicht zwingend nachziehen.»

Grundsätzlich begrüßte Habeck den G7-Beschluss. Möglich sei dieser, weil nun Japan und die USA eingelenkt hätten. «Dadurch schwenken die G7 alle auf den Pfad von Klimaneutralität 2050 ein.» Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auch wieder gebunden werden können. Deutschland will bis 2045 so weit sein.

Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Michael Kretschmer (CDU) und Dietmar Woidke (SPD), reagierten scharf. Deutschland sei ein Rechtsstaat und es gebe ein Gesetz zum Kohleausstieg 2038, sagte Kretschmer. Wenn man das ändern wolle, müsse das mit der Bevölkerung in den Regionen und den politisch Verantwortlichen besprochen werden, «um damit vielleicht einen neuen Konsens zu erzeugen, das wäre der richtige Weg», erklärte Kretschmer.

Der Beschluss der G7 vom Montag «ist das Gegenteil, das zerstört Vertrauen», sagte der CDU-Politiker und fragte, auf welcher Grundlage über das Jahr 2035 gesprochen werde. «Auf jeden Fall nicht auf der Grundlage geltenden Rechts in der Bundesrepublik Deutschland und offensichtlich auch nicht auf Grundlage ökonomischer Möglichkeiten.» Woidke sagte zur Jahreszahl 2035: «Die Zahlen interessieren mich eigentlich überhaupt nicht mehr, weil es keinerlei rechnerische und faktische Grundlage für diese Ausstiegszahlen gibt.»

Genau genommen heißt es im G7-Abschlussdokument, in der ersten Hälfte der 2030er Jahre solle die «unverminderte» Kohleverstromung enden. Der englische Fachbegriff im Original-Beschluss («unabated») bezieht sich auf die Nutzung von Kohle ohne Technologien zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung (CCS) - nur diese unverminderte Nutzung soll auslaufen. Beim deutschen Kohleausstieg sollen diese Technologien aber ohnehin praktisch keine Rolle spielen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte die Einigung einen faulen Kompromiss, der für Deutschland ein Rückschritt sei - schließlich wolle die Ampel eigentlich noch vor 2035 aussteigen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hob hervor, vor dem Ausstieg sei in Deutschland noch viel zu tun. «Wir brauchen noch bessere Bedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Energienetze, für Stromspeicher, Sektorkopplung und für die Kraft-Wärme-Kopplung», zählte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, auf. Sie nannte auch weitere offene Fragen wie etwa die, wie im großen Stil Wasserstoff als neuer Energieträger zum Einsatz kommen könne
dpa
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