Doch die Preise für
Agrarprodukte sind im Keller. Viele Betriebe haben zuletzt aufgegeben oder stehen vor dem Aus.
In Rostock-Warnemünde beraten die Agrarminister der Länder über die Lage, bei einem informellen Treffen in Bratislava wollen auch die nationalen EU-Landwirtschaftsminister in den kommenden Tagen darüber diskutieren. Einige Fragen zum Thema:
Wie viel Geld fließt aus dem EU-Budget in die Landwirtschaft?Jährlich erhält die Agrarbranche derzeit 58 Milliarden Euro - das sind etwa 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts. Die
GAP ist einer der wenigen Bereiche, die hauptsächlich von der EU finanziert werden. Es gibt zudem Verbindungen zu den ebenfalls üppigen Zahlungen aus der Regional- und Strukturpolitik.
In etlichen anderen Feldern liegt die Finanzhoheit dagegen nach wie vor bei den einzelnen Staaten. Nach Angaben der
EU-Kommission beträgt der Anteil der Agrarzahlungen an sämtlichen öffentlichen Ausgaben in ganz Europa nur ein Prozent.
Wie ist es zu dieser Milliarden-Finanzierung gekommen?Bei ihrem Start 1962 sollte die GAP zwei zentrale Ziele erfüllen: sicherstellen, dass Landwirte ein «angemessenes» Einkommen erzielen, und eine sichere Nahrungsmittelversorgung in Europa gewährleisten.
Dies war die Grundlage einer großzügigen Subventionspolitik. Damals waren nur die sechs Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) - Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande - dabei. Später beteiligten sich durch die größer werdende Europäische Gemeinschaft (EG) und Europäische Union (EU) immer mehr Länder. Auch die Betriebe produzierten immer mehr.
In den 1980er Jahren betrugen die Zahlungen fast 75 Prozent des europäischen Haushalts. Die produzierten Überschüsse führten zu den berüchtigten Milchseen und Butterbergen, die in Europa eingelagert oder aber zu niedrigen Preisen auf den Weltmarkt exportiert wurden.
Womit wird die üppige Förderung heute noch gerechtfertigt?Das Handeln der Landwirte hat auch großen Einfluss auf die Umwelt. Vor allem mit der
Agrarreform von 2013 kam die Vorgabe, den Ackerbau umweltverträglicher zu gestalten. Rund 30 Prozent der Zahlungen aus EU-Töpfen wurden an die Einhaltung entsprechender Auflagen geknüpft.
Dafür müssen die Bauern etwa einen Teil ihrer Felder mehr der Natur überlassen und Monokulturen vermeiden. Das GAP-Budget ist in den letzten Jahren geschrumpft, Fördergelder werden zudem mittlerweile unter etwa 12 Millionen Landwirten in der EU aufgeteilt. Auf jeden einzelnen entfällt damit ein verhältnismäßig geringer Betrag.
Wie ist die Situation der europäischen Landwirtschaftsbetriebe?Die Branche ächzt seit Monaten. Wegen eines Überangebots und der daraus folgenden niedrigen Preise können viele Betriebe kaum noch kostendeckend produzieren. Besonders kritisch war die Lage zuletzt bei Milch und Schweinefleisch, doch auch andere Produkte sind betroffen.
Mit Russland ist ein wichtiger Exportmarkt weggebrochen, Moskau hat infolge der Ukraine-Krise und EU-Wirtschaftssanktionen ein Importverbot für europäische Agrarprodukte verhängt. Auch wegen TTIP sorgen sich viele Bauern, denn zollfreier Handel mit den USA könnte etwa billiges Fleisch aus Amerika nach Europa bringen. Im August fiel der Rohstoffpreis-Index des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts bei Nahrungs- und Genussmitteln in Euro gerechnet um 3,8 Prozent.
Was hat die EU schon konkret getan?Nach mehr als drei Jahrzehnten schaffte sie 2015 die
Milchquote ab, mit der die Produktion in Europa lange begrenzt worden war. Preise und Erzeugungsmengen sollten nun durch den Markt festgelegt werden. Die EU beschloss aber noch eine Reihe von Hilfen für die Branche.
Im Herbst 2015 wurden «Liquiditätshilfen» von 500 Millionen Euro bereitgestellt. Im Juli beschloss die EU-Kommission dann erneut ein Hilfspaket von 500 Millionen Euro - 150 Millionen davon sind für Erzeuger vorgesehen, die ihre
Milchproduktion drosseln, 350 Millionen Euro für die Staaten zur weiteren Verteilung. Seit April dürfen Agrarbetriebe freiwillige Mengenabsprachen treffen, normalerweise würde dies nach EU-Wettbewerbsrecht als Marktverzerrung geahndet.
Die EU-Kommission hat sich zudem auf die Fahnen geschrieben, neue Absatzmärkte zu gewinnen. Agrarkommissar Phil Hogan reiste dafür in den vergangenen Monaten etwa nach Kolumbien und Mexiko.
Und was sagen die Kritiker?Nach Ansicht von Luc Vernet vom Think-Tank «Farm Europe» ist die Erschließung neuer Märkte eine langfristige Option, in der aktuellen Krise jedoch wirkungslos. Mit finanziellen Anreizen im Gegenzug für Produktionsbeschränkungen ließe sich das Überangebot eher bekämpfen: «Wir werden in den kommenden Wochen sehen, ob die dafür vorgesehenen 150 Millionen Euro ausreichen, um wirklich Wirkung zu entfalten.»
Andere gehen weiter. Der grüne EU-Parlamentarier und Agrarexperte Martin Häusling stößt sich grundsätzlich an der Exportorientierung. Die Produzenten müssten sich so an den Weltmarktpreisen orientieren - und dieser Preisdruck gehe auf Kosten des landwirtschaftlichen Einkommens, der Umwelt, des Tierwohls und der Lebensmittelqualität.
«Billige Agrarprodukte um den Globus zu schippern, kann nicht die Lösung sein», sagt Häusling. Europas
Agrarpolitik dürfe «nicht weiter Steuergelder dazu verwenden, mit Dumpingpreisen auf Kosten von Bauern in Europa und anderswo Markteroberungspolitik zu betreiben». Vielmehr sollte die Förderung nur noch nachhaltigem Wirtschaften zugutekommen.
Den Export von Überschüssen hatten auch Entwicklungspolitiker in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, denn künstlich verbilligte EU-Produkte machten die Märkte lokaler Produzenten im Süden kaputt.
Der Europäische Milcherzeugerverband European Milk Board (EMB) fordert ebenfalls ein Ende der Exportorientierung. Zudem sollten Fördermittel zur Mengenreduzierung genutzt werden. «Das Angebot der Nachfrage anzupassen, wäre die schnellste und angemessenste Lösung», sagt EMB-Chef Romuald Schaber. «Die Gelder könnten dann zugunsten benachteiligter Gebiete oder kleiner Strukturen eingesetzt werden.»
Die GAP, sagt auch Agrarexperte Vernet, müsse sich erneut wandeln: bei der Finanzierungssicherheit - vor allem für jüngere Landwirte - und mit Blick auf mehr Anreize für eine nachhaltigere Entwicklung.