Ein Bulgare erhielt umgerechnet 300.000 Euro aus Brüssel für eine Halle zum Gemüsetrocknen - doch sie existierte schon längst. Beim bislang schwersten Missbrauch von EU-Geldern in Bulgarien wurden alte Maschinen zur Fleischverarbeitung als neu ausgegeben und entsprechend finanziert. So wurden mehr als sieben Millionen Euro erschlichen. In allen drei Fällen haben erst in den letzten Tagen Gerichtsprozesse begonnen.
Auch der frühere bulgarische Straßenbau-Chef Wesselin Georgiew muss sich inzwischen wegen Korruption und Vetternwirtschaft bei der Vergabe von EU-finanzierten Projekten vor Gericht verantworten. Prozesse und Razzien sorgen in Bulgarien heute wie nie zuvor für Schlagzeilen, nachdem Brüssel im Sommer wegen der Korruption in dem Balkanland den Geldhahn abgedreht hatte. «Wir zogen die Notbremse und legten das Geld auf Eis», beschreibt Heinz-Hermann Brüner die damalige Lage.
Er leitet das EU-Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) und machte sich am Donnerstag in Sofia vor Ort ein Bild. Seine Behörde ermittele in 36 Fällen, 86 weitere würden nach Indizienhinweisen untersucht. Weniger als ein Jahr vor der nächsten Parlamentswahl bemüht sich die Regierung in Sofia demonstrativ und hektisch um bessere Kontrollen bei der Verwendung der EU-Fonds. Auf dem Spiel stehen etwa 500 Millionen Euro, die zum Ausbau der maroden Infrastruktur sowie zur Förderung ländlicher Regionen bestimmt waren.
Die einwandfreie Verwendung der EU-Gelder ist für die stellvertretende Regierungschefin Meglena Plugtschiewa die «größte Herausforderung» für ihr Land. Seit einem halben Jahr versucht die frühere Botschafterin in Berlin, das Brüsseler Vertrauen zurückzugewinnen, so dass die
EU-Zahlungen wieder anlaufen können.
Angesichts der weltweiten Finanzkrise sind die EU-Fördergelder für das neue EU-Mitglied Bulgarien wichtiger denn je. Mit einem «Aktionsplan» wurden inzwischen Agrarprojekte überprüft, die in den letzten zwei Jahren mit Mitteln aus Brüssel finanziert wurden. Plugtschiewa verweist auf die verbesserte Zusammenarbeit mit OLAF sowie mit der Staatsanwaltschaft in Sofia. Bereits im Juni führte die energische Politikerin in den heimischen Behörden die neue EU-Überwachungssoftware LOTHAR ein.
Plugtschiewa hofft auf die Freigabe der gestoppten EU-Gelder noch in diesem Jahr. In den letzten Monaten gebe es in Bulgarien eine Wende zum Positiven, meint OLAF-Chef Brüner. Die Entwicklung laufe «in die richtige Richtung», machte er am Donnerstag in Sofia Mut. Doch müsse es nicht nur Prozesse, sondern auch «reelle Urteile» geben. «Das Feld der in Kraft getretenen Urteile bleibt hoffnungslos leer», hatte auch Europaministerin Gergana Grantscharowa geklagt. (dpa)