«Aus dem letzten großen
Hochwasser im August 2002 sind, von einigen Mängeln abgesehen, richtige Konsequenzen gezogen worden», sagte der Chef des Auen- Instituts in Rastatt, Emil Dister, am Montag der Nachrichtenagentur dpa. So sei damals etwa die Siedlung Röderau Süd an der Elbe zugunsten eines Überschwemmungsgebietes aufgegeben worden; rund 400 Menschen waren davon betroffen. «Das war eine vernünftige Lösung, in der alte Denkmuster endlich mal verlassen wurden», sagte Dister.
Das renommierte Auen-Institut in Baden-Württemberg beschäftigt sich mit Hochwasserschutz, Auenentwicklung und Renaturierung. Generell sei es zwar immer wünschenswert, den Flüssen mehr von ihren ursprünglichen Überschwemmungsgebiete zurückzugeben.
Im Falle der in Sachsen über die Ufer getretenen Neiße müsse man sich allerdings generell fragen, ob eine Besiedelung entlang hochwassergefährlicher Flüsse an jeder Stelle mit vernünftigem Aufwand aufrechterhalten werden könne, sagte Dister weiter. Dister kritisierte, dass Sachsen unterhalb der an der Elbe liegenden Stadt Riesa keine Rückhalteräume (Polder oder Deichrückverlegungen) für über die Ufer tretende Wassermassen zur Verfügung stelle. «Diese Rückhalteräume würden im Falle eines Hochwassers eher Sachsen-Anhalt und Brandenburg zu Gute kommen», erklärte der Experte. Jedes Bundesland wolle aber nur die Maßnahmen ergreifen, die ihm auch selbst nützten. «Diese Form des regionalen Egoismus stellen wir leider überall in Deutschland fest.»
Insgesamt sei das Hochwasser vom Wochenende relativ vorhersehbar gewesen: Innerhalb kürzester Zeit habe es in einem relativ kleinen Einzugsgebiet extrem viel geregnet. «Der Dammbruch in Polen hat das Hochwasser in Sachsen nur unwesentlich verschlimmert, sagte Dister. Die Niederschläge seien von Wetterexperten angekündigt gewesen. «Das Bundesland hätte eigentlich gewarnt und sensibilisiert sein müssen.» Verhindert werden können hätte die Katastrophe aber nicht. Der Osten sei in Sachen Hochwasserschutz nicht rückständiger als der Westen. Über die Landesgrenzen hinweg allerdings funktioniere die Abstimmung offenbar aufgrund der Sprachprobleme weitaus schlechter «als es etwa bei den Nachbarn am Rhein der Fall ist».
Dass die Klimaveränderung an dem Hochwasser schuld sein könnte, wollte Dister nicht ohne weiteres bestätigen. «Diese Kühnheit würde ich nicht unbedingt besitzen», sagte er. Allerdings sei es unstrittig, dass Wetterlagen, die zu extremen Niederschlägen und damit Hochwasser führen könnten, zunähmen. «Tiefdruckgebiete, die aus der Adria kommen und Richtung Norden ziehen und sich dann an den Gebirgen abregnen, häufen sich», betonte Dister. Mit diesem Phänomen müsse man sich stärker befassen. Hochwasserschutz sollte daher für die gefährdeten Bundesländer weiter ganz oben auf der Agenda stehen. (dpa)
Hintergrund:
Der Sandsack
Sandsäcke sind seit mehr als 100 Jahren das letzte Mittel im Kampf gegen Hochwasser. Mit ihnen werden vorhandene Deiche verstärkt oder Sandsackdeiche errichtet. Deutsche Firmen importieren sie seit Jahrzehnten aus Fernost (Bangladesch, China, Taiwan, Indien), da eine Produktion in Deutschland zu teuer wäre.
Es gibt zwei Materialien: Jute und Kunststoff. Jutesäcke sind an steilen Böschungen rutschfester und passen sich gut an Unebenheiten an. Dafür verrotten nasse Jutesäcke eher. Kunststoffsäcke können lange gelagert und erneut verwendet werden.
Die Bundeswehr setzt auf Jutesäcke. Leere Säcke kosten je nach Menge zwischen 20 und 50 Cent, gefüllte etwa 2 Euro. Normalerweise werden sie erst vor Ort mit zwei bis drei Schaufeln Sand gefüllt. Die zu zwei Dritteln gefüllten Säcke wiegen meist zwischen 10 und 20 Kilogramm. Zu prall gefüllte Säcke schmiegen sich nicht so gut in Lücken. Experten verzichten auf das Verschließen mit einem Knoten und schlagen die Öffnungen nur zweimal um: Das spart Zeit und gelingt auch mit kalten Händen.