«Ich hoffe, dass es bei ein paar Flocken bleibt und nicht wieder anfängt, einzuschneien.» Der Bürgermeister der nahe der Ostseeküste gelegenen Stadt Ribnitz-Damgarten hat in seiner 20-jährigen Amtszeit so einen Winter noch nicht erlebt. Statt 25.000 Euro für den Winterdienst sind es bereits 200.000 Euro, plus 100 000 statt 10.000 Euro für notdürftige Schlaglochreparaturen. Das neue Fahrzeug für die Feuerwehr und das geplante Mehrzweckgebäude für den Sportplatz stehen nun auf dem Prüfstand - genauso wie die Zuschüsse für das Folklore- und Fischerfest im Sommer in der Gemeinde mit dem malerischen Stadtkern und dem Deutschen Bernsteinmuseum.
«Das wird schmerzhaft für die Bürger, weil wir einige Sachen, auf die man sich freut, so nicht mehr machen können», sagt Borbe. «Dieser Winter ist der härteste seit 1978/1979.» Schneeverwehungen von bis zu zwei Metern legten den Ort lahm. In einzelnen Regionen Mecklenburg- Vorpommerns wurden zuletzt einige Stadtviertel aufgrund knapper Kassen nicht mehr geräumt. In Hamburg zog sich Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (
CDU) den Zorn vieler Bürger zu, weil er die Eisdecke in seiner Wohnstraße von der Stadtreinigung räumen ließ, während im Rest der Stadt wenig geschehen war. In Berlin starben nach Stürzen auf vereisten Gehwegen bereits drei Senioren.
Während die Bürger über Glatteis fluchen und die Kommunen seit Wochen Streusalzengpässe beklagen, machen sich die Kämmerer nun Gedanken, wie die immensen Schäden der
Kältewelle bewältigt werden sollen. Ob aber die etwa in Berlin angedrohte Bußgeldverhängung bei Hauseigentümern, die ihrer Streupflicht nicht nachkommen, die Geldsorgen lindern kann, darf bezweifelt werden.
Besonders in Nord- und Ostdeutschland verschärft der Winter die Finanzlage der Kommunen, die nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes bereits jetzt ein Gesamtdefizit von 12 Milliarden Euro in diesem Jahr zu verkraften haben. Von doppelt bis zehnfach so hohen Ausgaben für Winterdienst und Straßenreparaturen wird von Kiel bis Cottbus ausgegangen. Zu spüren bekommen dies vor allem die Bürger in kleineren Städten wie im 16.000 Einwohner zählenden Ribnitz-Damgarten, wo die Kosten nicht ohne weiteres durch Umschichtungen im Haushalt aufzufangen sind. Rufe nach einem Nothilfefonds werden bereits laut.
Aber: Der Bund winkt ab, eine Umlenkung von Millionen aus den Konjunkturpaketen etwa sei «rechtlich nicht machbar», heißt es aus dem Hause von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Er will das Thema aber bei der Verkehrsministerkonferenz Mitte April auf die Tagesordnung setzen. Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann (Grüne), betont, der kommunale Straßenbau sei keine Aufgabe des Bundes. «Der Winter kommt jedes Jahr.» Anders als das Ministerium hält er Mittel aus dem Konjunkturpaket jedoch für denkbar.
Mit Galgenhumor nimmt der Bürgermeister Fehmarns, Otto-Uwe Schmiedt, die um das achtfache gestiegenen Ausgaben auf der Insel für Winterdienst und Reparaturen auf. «Wenn wir den Schnee bei Ebay für einen Euro pro Kubikmeter an Selbstabholer verkaufen würden, hätten wir die Kosten des Winter locker wieder raus. Wir haben hier schätzungsweise 1,5 Millionen Kubikmeter Schnee anzubieten.» Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, mahnt: «Die Bewältigung der Frostschäden auf den Straßen ist die zentrale Frühjahrsherausforderung für Städte und Gemeinden.» Er erwarte «jetzt und nicht erst im Frühjahr klare Zusagen auch des Bundes, dass er uns dabei unterstützt».
Ohne Hilfe des Bundes könnte es vielerorts auf Gebührenerhöhungen oder den Verzicht auf Investitionen hinauslaufen. Im Zweifel muss der Bürger mehr zahlen, heißt es in Rostock. Dass wegen der Winterkosten kommunale Projekte nicht umgesetzt oder auf die lange Bank geschoben werden müssen, sei «logisch». Im sauerländischen Arnsberg werden 90 Prozent der Winterdienstkosten auf Grundstückseigentümer umgelegt - hier könnte es Erhöhungen geben. In Bielefeld hingegen sind in milden Wintern nicht verbrauchte Gelder in eine Rücklage geflossen.
Auch wenn die Kommunen in jüngster Zeit mit schrillen Worten vor Schwimmbad-, Museums- und Theaterschließungen warnen - der Winter wird wohl nur geringfügig in den Geldbeuteln der Bürger oder in Form von Einschränkungen kommunaler Leistungen zu spüren sein. Vielmehr werden viele durch den Winter entstandene Schlaglöcher - allein in Lübeck sollen es bis zu 14.000 sein - nicht geflickt werden können. Göttingens Stadtsprecher Detlef Johannson betont: «Die Stadt wird keine Kita schließen, nur weil der Winter wieder einmal ein echter Winter ist». (dpa)