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19.06.2007 | 11:50 | Geier-Begeisterung 

Schlachtabfall zum Frühstück

Brüssel - Eine große Geier-Begeisterung greift in Belgien um sich: Seit am Wochenende fast 100 spanische Gänsegeier im Königreich landeten, sind die riesigen Vögel das Tagesgespräch im Land.

Schlachtabfall
(c) proplanta
Der Rundfunk nennt in den Morgennachrichten die neuesten Ruheplätze der fliegenden Aasfresser, hunderte Schaulustige schwärmen im Morgengrauen mit Ferngläsern aus, neugierige Schulklassen ziehen zum Geier-Gucken an den Waldrand.

Mehr als 1000 Kilometer haben die Geier von den Pyrenäen bis nach Belgien zurückgelegt - offensichtlich auf der Suche nach Nahrung: «Wir wissen, dass die Tiere seit geraumer Zeit nicht gefressen haben», sagte Jan Rodts vom flämischen Vogelschutzbund am Dienstag im Radiosender VRT. In Spanien, so heißt es, fänden die Aasfresser nicht mehr genügend Kadaver: Eine EU-Vorschrift verbiete den Bauern dort seit 2003 das Liegenlassen von totem Vieh auf den Weiden, um Seuchen wie dem Rinderwahnsinn vorzubeugen.

Dem widersprechen Experten der Brüsseler EU-Kommission. Spanien und vier andere südeuropäische Heimatländer der Geier dürften unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen erlauben. Das tun sie aber nur teilweise, erzählte VRT-Korrespondent Steven Adolph aus Madrid den belgischen Geier-Fans: Die spanische Provinz Aragon etwa habe alle Kadaverplätze geschlossen - die Aasfresser gehen seither leer aus.

In Belgien tobt nun eine Debatte, ob man die hungrigen Tiere füttern solle. Brauchen die Vögel eine Stärkung vor dem Rückflug? Oder bewegt sie Futter nur zum Bleiben? Jan Rodts und seine Freunde schritten am Dienstag zur Tat. Im Morgengrauen besorgten sie sich in einem Fleischereibetrieb 200 Kilogramm Schlachtabfälle und legten sie auf einer Weide bei Ninove westlich von Brüssel aus: Auf den Bäumen eines nahen Waldes hatten 28 Gänsegeier die Nacht verbracht.

Andere Artgenossen zogen offenbar schon in Gebiete weiter, in denen Geier seit 150 Jahren ausgestorben waren. Dutzende Vögel überquerten nach Angaben der Zeitung «Het Laatste Nieuws» vom Dienstag die Grenze zu den Niederlanden. Mitte Mai hatten Vogelkundler zudem zwei Dutzend der riesigen Segler - die Spannweite ihrer Flügel erreicht 2,80 Meter - bereits in Baden-Württemberg geortet. Im vergangenen Jahr stießen Trupps von bis zu 70 Tieren auf der Futtersuche sogar bis nach Mecklenburg-Vorpommern vor.

Gefährlich sind die großen Greifvögel nicht: Sie ernähren sich ausschließlich von Aas. Aber tote Tiere dürften die Geier im Norden Europas noch weniger finden als in ihrer spanischen Heimat - von dem frischen Frühstücksbüfett auf einer Weide bei Ninove am Dienstag mal abgesehen. Vogelschützer Rodts hofft deshalb, dass die Geier bald die Rückreise antreten: «Leider merken die Tiere nicht, dass sie hier in Problemen stecken.» (dpa)
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