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16.07.2009 | 10:13 | Wüstenstrom 

Fata Morgana Wüstenstrom? - Industrie macht ernst

München - Sauberer Strom aus den Wüsten Nordafrikas und Arabiens - die Vision, die eine Reihe deutscher Unternehmen von Siemens über E.ON und RWE bis hin zur Münchener Rück zusammen mit Partnern aus Algerien und Spanien am Montag in München skizzierte, klingt verlockend.

Fata Morgana
(c) proplanta
«Bahnbrechend» sei das Vorhaben, bis 2050 rund 15 Prozent des europäischen Strombedarf mit Sonnenenergie zu decken, sagt Caio Koch-Weser von der Deutschen Bank. Für den zuständigen Münchener Rück-Vorstand Torsten Jeworrek ist der Plan angesichts von Klimawandel und Überbevölkerung sogar alternativlos. «Wir alle können es uns angesichts des Ernstes der Lage nicht leisten zu scheitern.»

Zunächst bleiben allerdings viele Fragen offen. Die spannendste ist, wer eigentlich die Zeche für das ehrgeizige Projekt zahlen soll. Immerhin 400 Milliarden Euro werden für das Vorhaben veranschlagt, bis 2050 in den Staaten Nordafrikas und Arabiens ein dichtes Netz sogenannter Solarthermiekraftwerke zu errichten, die über ein Hochleistungsnetz miteinander verbunden werden sollen. Allein das Stromnetz dürfte rund 50 Milliarden Euro kosten, sagt Jeworrek. «Die Investitionskosten werden hoch sein, dann aber doch weniger als 1.000 Euro pro Einwohner Europas ausmachen», rechnet er vor.

Damit ist auch angedeutet, wer letztlich zahlen wird: die Verbraucher in Europa. An sie dürften gegebenenfalls höhere Preise für den Solarstrom weitergegeben werden. Denn die Staatskasse, belastet durch Konjunkturpakete und Bankenrettungen, ist derzeit mehr als leer. Staatsminister Günter Gloser (SPD)  stellte denn auch klar, dass man von Seiten der Regierung gerne Hilfestellung gebe, vielleicht auch die eine oder andere Anschubfinanzierung. Mehr aber auch nicht. «Der Staat oder die EU können nicht all diese Finanzen aufbringen. Der wesentliche Anteil muss von privaten Unternehmen organisiert werden.»

Die Unternehmen geben sich aber optimistisch, den Strom in der Wüste zu marktfähigen Preisen produzieren zu können. «Wir wollen und wir werden den Strom aus Wind und Wasser bezahlbar machen», sagt Rene Umlauft von Siemens Energy fast beschwörend. In der Tat sind Atom- und Kohlestrom heute noch deutlich billiger, langfristig dürften sie aber keine Alternative zu Solar-, Wind- und Wasserkraft sein, das dämmert mittlerweile auch vielen Unternehmen.

Udo Ungeheuer, Vorstandschef der Schott AG, dem möglichen Lieferanten von Kernkomponenten für die neuen Kraftwerke, sieht außerdem noch großes Einsparpotenzial. So könne der Wirkungsgrad der Solar-Anlagen noch deutlich erhöht werden, sagt er. Und nicht zuletzt mache es schlicht die Masse, betonen die Unternehmen einmütig. Um das Sonnenlicht einzufangen, brauche es Tausende von Spiegeln. Bei so großen Stückzahlen sänken auch die Kosten.

Selbst die Umweltorganisation Greenpeace jubelte am Montag, die Gründung der Wüstenstrom-Initiative könne zum Meilenstein für die Nutzung von Solarkraftwerken werden. «Deutsche Unternehmen haben das erforderliche Kapital und das technische Knowhow, um sauberen Strom aus den Wüsten zu einem globalen Erfolgsmodell zu machen.»

Einer jedoch machte den Spielverderber. Der Bundestagsabgeordnete und Solarexperte Hermann Scheer (SPD) bezeichnet die Wüstenstrom-Pläne der Unternehmen als «Fata Morgana». Die erwarteten Kosten des Projekts Desertec würden künstlich heruntergerechnet, warnt der Träger des Alternativen Nobelpreises. Zudem sei die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien innerhalb der Europäischen Union nicht teurer und in absehbarer Zeit zu bewerkstelligen. Davon wollen sich die Initiatoren des Projekts aber nicht bremsen lassen. «Der heutige Tag bietet noch keine fertige Lösung, aber er bietet eine Vision», sagt Jeworrek. (dpa)
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