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26.01.2009 | 04:47 | Genetische Vielfalt im Fluss 

Muschel und Bachforelle brauchen integrierten Schutz

München - Früher wurde sie wegen ihrer kostbaren Perlen geschätzt, heute erforschen sie Ökologen: die Flussperlmuschel, einer der anspruchsvollsten Bewohner der Flüsse Europas.

Flussperlmuschel
(c) TUM
Ihre Larven wachsen in den Kiemen der Bachforelle heran. Sie braucht extrem sauberes Wasser und ein Flussbett, das frei von Schlamm ist. Kein Wunder, dass die Flussperlmuschel mittlerweile fast ausgestorben ist. Der Gewässerökologe Prof. Dr. Jürgen Geist von der Technischen Universität München (TUM) untersucht europaweit die Genetik und Ökologie dieser Nischenbewohner. Sein Fazit: Ein integriertes Schutzkonzept ist nötig.

Die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) erreicht ein Alter von über 200 Jahren und zählt zu den Methusalems im Tierreich. Wo sie lebt und sich vermehrt, ist ein Flussökosystem noch in Ordnung. Die Muschel ist damit ein wichtiger Umweltindikator, den sich Ökologen zu Nutze machen, um Fließgewässer zu erforschen. Heute sind intakte Perlmuschelbestände in Mitteleuropa selten geworden. Verschlammungen „verstopfen" oftmals den Gewässergrund, in dem die Jungmuscheln leben.

Prof. Dr. Jürgen Geist vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München (TUM) erforscht in Kooperation mit Privatdozent Dr. Ralph Kühn und Prof. Dr. Karl Auerswald die Genetik und Ökologie der Flussperlmuschel und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieser Rote-Liste-Art.

Die anspruchsvolle Flussperlmuschel benötigt aber nicht nur das richtige Gewässerbett und sauberes Wasser. Sie ist auch auf einen ganz bestimmten Mitbewohner im Flussökosystem angewiesen: die Bachforelle (Salmo trutta fario). Die nur staubkorngroßen Muschellarven sterben, wenn sie sich nicht binnen weniger Stunden, nachdem sie vom Muschelweibchen ins Wasser abgegeben wurden, an die Kiemen einer Bachforelle heften. Dort wachsen die Glochidien genannten Larven bis zu zehn Monate lang zu etwa 0,4 mm kleinen Muscheln heran. Dann lösen sie sich von den Kiemen, lassen sich auf den Grund des Flusses sinken und vergraben sich komplett im Sediment. Erst nach vier bis fünf Jahren kommen die Flussperlmuscheln dann wieder zum Vorschein.

Prof. Dr. Geist hat nun die Parasit-Wirt-Beziehung von Muschel und Forelle auf genetischer Ebene erforscht. Hierzu wurden Gewässer in Mittel-, West- und Nordeuropa untersucht und DNA-Proben von Bachforellen und Flussperlmuscheln analysiert. Das überraschende Ergebnis wurde in der Fachzeitschrift Molecular Ecology (Mol. Ecol. 17; 997-1008) publiziert: Der Zusammenhang zwischen der genetischen Vielfalt bei Parasit und Wirt ist negativ. Dort, wo die Flussperlmuschel genetisch besonders variabel ist, da sind die Bachforellenbestände eher einheitlich. Der Grund hierfür ist die unterschiedliche Strategie von Wirt und Muschel, sich an ihre Umwelt anzupassen.

Für den Schutz der Biodiversität in Fließgewässern ergibt sich daraus eine neue Erkenntnis: Es reicht nicht, die genetische Vielfalt einzelner Arten zu betrachten, um Gebiete zu identifizieren, die wegen der genetischen Vielfalt besonders schützenswert sind. Stattdessen müssen hierzu Arten mit möglichst unterschiedlichen Lebensstrategien betrachtet werden. Integrierte Schutzkonzepte für Bachforelle und Perlmuschel müssen das ganze Ökosystem berücksichtigen, damit eine insgesamt möglicht hohe Vielfalt erhalten bleibt. (PD)
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