Freiluftpartys, Campen, gemütliche Abende an der Donau - der abendliche Freizeitspaß ist erheblich eingeschränkt. In Österreich herrscht die größte Stechmückenplage seit Jahren. Überall das gleiche Bild: Erst ein leises Summen, dann ein wildes Fuchteln und Klatschen. Auch der bayerische Chiemsee ist derzeit ein Paradies für Stechmücken. Regenmassen,
Hochwasser und Schwüle bieten den Quälgeistern optimale Bedingungen.
Der Abwasser- und Umweltverband Chiemsee versucht mit dem biologischen Insektizid Bacillus thuringiensis israelensis (Bti), der Plage Herr zu werden. Das Bti wird, in Eiskörnchen eingeschlossen, mit einem Hubschrauber über die Lachen verteilt, die das Hochwasser zurücklässt. Doch die Auflagen dafür sind streng und verbieten eine Anwendung in Naturschutzgebieten. Davon sind umliegende Gemeinden wie Übersee betroffen. Nach einer erfolglosen Petition an den bayerischen Landtag vor drei Jahren wehren sie sich nun erneut gegen das ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Bti-Verbot.
«Die Leute steigen aus, sehen die Mückenschwärme und fahren wieder ab», beklagt auch Manfred Ferling, Vorsitzender des Verkehrsvereins Grabenstätt. Der Campingplatz etwa habe dieses Jahr nur die Hälfte der Einnahmen des Vorjahres verbucht. Nach der erfolglosen Petition versuchen die beiden Gemeinden nun erneut ihr Glück. Seit dem vergangenen Samstag liegen wieder Unterschriftenlisten aus. «Es kann nicht sein, dass Umweltschutz vor Menschenschutz geht», sagt Ferling.
Das sieht Beate Rutkowski, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz anders. Sie ist strikt gegen eine Ausbringung von Bti im Delta der Tiroler Ache, das im Naturschutzgebiet der Gemeinden Grabenstätt und Übersee liegt. «In einem Schutzgebiet muss das ökologische Gleichgewicht Vorrang haben, da muss der Mensch zurückstehen», sagt sie. Mücken seien wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. Das Mittel wirke außerdem auch gegen die für den Menschen harmlosen Zuckmücken.
Die Sorge um andere betroffene Arten teilt auch Martin Geier, Insektenexperte der Universität Regensburg. Trotzdem hält er das Mittel Bti für die verträglichste Methode der Stechmückenbekämpfung. Dieses Jahr kam der Eisregen, der nur einmal jährlich erlaubt ist, am 29. Juni. Im benachbarten Österreich gibt es derweil andere Methoden gegen die Mücken: Ein Pop-Sender strahlt beispielsweise mit seinem Programm einen hochfrequenten Piepton aus, der Mücken abschrecken und Hörer im Umkreis von fünf Metern ums Radio vor Stichen schützen soll. Häufiger duschen, weniger Parfüm und Moskitonetze als Schutz für die Wohnung, empfahl ein Wiener Apotheker im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA.
Lavendel an einem gekippten Fenster, Vitamin-B-Präparate, Duftstoffe am Kinderwagen, auch eine mit Gewürznelken gespickte Zitrone im Zimmer sollen Abhilfe schaffen. Wenn das alles nichts hilft, verspricht ein Arzt aus Oberösterreich Hilfe durch eine Spritze. Das umstrittene Präparat soll den Körperduft leicht verändern. Ansonsten ist der Wettkampf um Schnelligkeit, das Stechen und Hauen, fast zum Volkssport geworden. Nur wenige Schritte hinein in den privaten Garten, ein kurzer Ausflug an die Donau, oder selbst abends vor den Lokalen in der Betonwüste Wien, überall sind Arme und Beine umgehend von den aggressiven Attacken der nach Blut gierenden Plagegeister gezeichnet. Schonung gibt es lediglich in den höheren Lagen der Alpen.
Drei Wiener Künstler inspirierte die Plage derweil zu einer neuen Aktion, bei der Besucher auf die Stechmücken zugehen. Bei dem Projekt können Besucher einen Eisenbahnwagen mit tausenden eigens herangezüchteten Stechmücken durch eine Schleuse betreten und sich im Innern in ein Gästebuch eintragen. Eine besondere Mutprobe. (dpa)