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05.06.2017 | 06:46 | Dieselfahrzeuge 
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Vom Klima-Retter zur Dreckschleuder? Diesel-Image hat massiv gelitten

Hannover / Brüssel - Der Dieselmotor, eine Stickoxid-Dreckschleuder, die Menschen krank macht und von der selbst die Europäer sich langsam abwenden? Nicht nur Umweltschützer scheinen die Frage inzwischen mit Ja zu beantworten.

Dieselfahrzeug
Am Diesel scheiden sich die Geister: Ist er tatsächlich so schmutzig, wie es im Abgas-Skandal scheint? Oder tragen Diesel-Antriebe sogar zum Klimaschutz bei? Fest steht: In der Frage gibt es nicht nur einen entscheidenden Haken. (c) proplanta
Die Industrie sieht die umstrittene Technik hingegen in deutlich rosigerem Licht: Als klimaschonenden, CO2-armen Retter einer Branche, die mit Abgas-Skandal und immer strengeren EU-Grenzwerten zu kämpfen hat.

Klar ist: Nahezu emissionsfrei wie ein E-Auto im Betrieb mit erneuerbaren Energien fährt ein Diesel sicher nicht. Aber wie sieht die Ökobilanz aus?

Wie klimaschonend ist der Diesel wirklich - ist er es überhaupt?

Kommt darauf an. Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist der klimafreundliche Diesel ein Mythos, weil Dieselkraftstoff beim Verbrennen sogar etwas mehr Kohlendioxid je Liter ausstößt als Benzin. «Clean-Diesel» sei daher eine Mogelpackung, argumentiert er.

Der Branchenverband VDA sieht das völlig anders: Diesel sei einfach effizienter. Dieseltreibstoff ist energiereicher als Benzin, handelsüblicher Diesel kommt auf einen Heizwert - in der Einheit wird der Energiegehalt angegeben - von etwa 35,5 Megajoule pro Liter, bei Superbenzin sind es rund 31,8 Megajoule pro Liter.

Dazu kommt, dass Dieselmotoren auch einen höheren Wirkungsgrad haben als Benzinmotoren - der VDA geht von einem Diesel-Vorteil von etwa 15 Prozent aus. Entsprechend verbrauchten Dieselmodelle auch weniger Kraftstoff, argumentiert ein Verbandssprecher.

Weil der CO2-Ausstoß am Verbrauch hängt, kommt aus dem Auspuff der Diesel-Autos also unter dem Strich weniger von dem Klimagas - auch wenn der CO2-Gehalt je Liter Diesel tatsächlich höher ist. Im Mittel lägen die CO2-Emissionen beim Diesel um 15 Prozent niedriger als beim Benziner, sagt Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie.

Warum dann die Aufregung über den Diesel?

Weil trotz des geringeren Verbrauchs im Dieselmotor mehr Schadstoffe entstehen - vor allem Stickoxide (NOx) bilden sich bei der Verbrennung. Die Stoffe können laut Umweltbundesamt Schleimhäute angreifen und zu Husten, Atembeschwerden und Augenreizungen führen sowie Herz, Kreislauf und die Lungenfunktion beeinträchtigen.

Viele Städte haben wegen der Diesel-Abgase mit zu hohen Stickoxid-Werten zu kämpfen, etwa in Stuttgart drohen deshalb Fahrverbote. Allerdings sei dies eine «Altlastendiskussion», betont Koch. Entwicklungszeiträume seien lang, daher gehe es um Fahrzeuge, deren «Hardware» Ende des vergangenen Jahrzehnts entwickelt worden sei: «Technisch ist alles gelöst.»

Sind Diesel immer sparsamer als Benziner?

So einfach ist es nicht. Der technisch mögliche Verbrauchsvorteil beim Diesel werde überkompensiert durch das hohe Gewicht etwa der gefragten Lifestyle-Geländewagen, kritisiert der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch. Der Dieselmotor habe solche «unnötigen Fahrzeugkategorien» erst möglich gemacht. Auch sei die Herstellung von Dieselmotoren aufwendiger, auch hier entstünden CO2-Nachteile.

Für Resch ist es damit «eine Mär», dass Diesel-Autos weniger Kraftstoff verbrauchen als Benziner. Zumal moderne Benziner effizienter seien als früher, sagt er mit Blick auf sogenannte Vollhybride, also Autos, die sowohl mit dem Verbrennungs- als auch dem Elektromotor fahren können. Diese hätten allerdings wiederum mit Partikel-Emissionen zu kämpfen, warnt Koch.

Sind neue Euro-6-Diesel sauber?

Das Umweltbundesamt warnte erst Ende April: Euro-6-Diesel, die der jüngsten Abgasnorm entsprechen, stoßen viel mehr Stickoxide aus als sie sollten. Der Labor-Grenzwert liegt bei 80 Milligramm pro Kilometer, im Alltag sind es aber 507 - mehr als sechs Mal so viel.

Am schmutzigsten sind Euro-5-Diesel mit einem NOx-Ausstoß von 906 Milligramm, dem Fünffachen des Grenzwerts von 180 Milligramm. Euro-4-Diesel, für die ein Grenzwert von 250 Milligramm gilt, blasen 674 Milligramm Stickoxid pro Kilometer in die Luft.

Das Problem ist erkannt, und die wenig aussagekräftigen Labortests werden in Europa bald durch realistischere Prüfverfahren ergänzt. Von September an werden Stickoxid-Straßentests (RDE-Tests) verpflichtend für die Zulassung neuer Automodelle, ein Jahr später dann für alle Neuwagen. Allerdings werden noch für viele Jahre großzügige Abweichungen erlaubt. Der CO2-Ausstoß wird bei neuen Automodellen von September an mit dem auf UN-Ebene vereinbarten WLTP-Verfahren gemessen. Ein Jahr später folgt die Einführung für alle Neuwagen.

Sind mit gebrauchten Selbstzündern noch Geschäfte zu machen?

Das Geschäft ist schwierig. In einer Händlerbefragung der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) gaben 58 Prozent der Händler an, derzeit Diesel-Gebrauchtwagen mit höheren Rabatten als sonst üblich zu verkaufen. Bei Neuwagen griffen 36 Prozent zu diesem Mittel.

Auch beim Ankauf von Selbstzündern zeigen sich die Autohäuser der Studie zufolge vorsichtig: 65 Prozent nehmen sie nur noch zu niedrigeren Preisen in Zahlung. Und auch der Restwert wird zum Problem: Laut Auswertung haben Dieselfahrzeuge nach drei Jahren mit 55,4 Prozent vom Listenpreis einen geringeren Restwert als vergleichbare Benziner (56,4 Prozent).
dpa
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Kommentare 
cource schrieb am 05.06.2017 13:08 Uhrzustimmen(27) widersprechen(34)
ein auto ist immer umwelt-/klimafeindlich egal mit welchem antrieb und inzwischen bedroht das auto auch den kleinen mann als schuldenfalle, denn mit dem mindestlohn kann man keine zusätzlichen kosten wie längere pendelfahrten zur arbeit/reparatur/unfallkosten, stemmen
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