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27.10.2008 | 09:07 | Umweltpreis  

Nachdenkliche Töne bei Verleihung des Umweltpreises in Rostock

Rostock - Es waren nachdenkliche Worte, die Bundespräsident Horst Köhler bei der Verleihung des Deutschen Umweltpreises am Sonntag in Rostock gebrauchte.

Nachdenkliche Töne bei Verleihung des Umweltpreises in Rostock
«In 50 Jahren werden auf der Erde über 9 Milliarden Menschen leben, drei Milliarden mehr als heute. Alle diese Menschen wollen ein Dach über dem Kopf, Arbeit und Nahrung und Schulen für ihre Kinder», sagte der Bundespräsident vor den 1.100 geladenen Gästen in der Rostocker Stadthalle. Vor allem in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien gebe es eine wirtschaftliche Aufholjagd und eine rasante Industrialisierung.

Die Menschen in diesen Ländern eifern nach den Worten Köhlers einem Modell nach, das die westlichen Industriestaaten in den vergangenen 150 Jahren entwickelt haben. Die Probleme sind hinlänglich bekannt. Seit 1993 zeichnet die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) Persönlichkeiten aus, die mit ihrem Wirken Lösungen für genau die Probleme anbieten, die in diesen 150 Jahren entstanden sind und wegen fehlender «Nachhaltigkeit» weiter entstehen werden.

Der Träger des Umweltpreises 2008, Ernst Ulrich von Weizsäcker, ist ein Verfechter dieser Nachhaltigkeit. Laut Köhler bietet er mit seiner Vision «Faktor 4» Antworten auf die Frage, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung den kommenden Generationen ihre natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensgrundlagen gesichert werden können. Von Weizsäcker forderte in Rostock eine drastische Erhöhung der Energieproduktivität. «Die industrielle Revolution hat es geschafft, die Arbeitsproduktivität zu verzwanzigfachen. Wenn wir das mit der Energieproduktivität im Lauf von 100 Jahren auch hinkriegen, sind praktisch alle Umweltprobleme gelöst», zeigte er sich optimistisch.

Der 69-jährige Neffe des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker lehnt es dabei ab, alle Umweltprobleme dieser Welt aufzuzählen. «Mit den Problemen anfangen, führt häufig in die Irre. Ich fange lieber mit den Lösungen an.» Er habe erkannt, dass es möglich ist, aus einer Kilowattstunde oder einem Quadratmeter Land oder einem Liter Wasser 10 oder 20 Mal so viel Wohlstand herauszukitzeln. «Und wir können etwas dafür tun, dass genau das geschieht». Die politische Folge des Problemeaufzählens sei eine Kurzfristigkeit, die das Gefühl vermittele, in einer Legislaturperiode werde alles abgeräumt. «Das ist völliger Quatsch.»

Köhler stellte die Dimension der Aufgaben in Deutschland dar. Die Hälfte des gesamten Energiebedarfs werde für die Wärmeerzeugung verbraucht. Nach seinen Worten wird dort das Einsparpotenzial auf 70 Prozent und beim Stromverbrauch auf 20 Prozent geschätzt. Dabei machte Köhler deutlich, dass die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zwar positiv sei, aber längst nicht ausreiche. Die Regierung wolle die Energie- und Ressourcenproduktivität bis 2020 verdoppeln. Doch habe das Statistische Bundesamt festgestellt, dass dieses Ziel bei dem vorgegebenen Tempo nicht zu erreichen sei, betonte Köhler.

Der Bundespräsident setzt vor allem auf die Kompetenz der Wirtschaft, die nach seinen Worten in einer «neuen industriellen Revolution» Technologie- und Marktführer in Sachen Energie- und Rohstoffproduktivität werden soll. Ein Beispiel dafür gebe der zweite Preisträger, der hessische Biotechnologe Holger Zinke. In seiner Firma BRAIN wurde unter anderem ein Waschmittelenzym entwickelt, mit dem Wäsche bei 40 statt bei 60 Grad Celsius gewaschen werden kann. So könne jährlich mehr als eine Million Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in Deutschland eingespart werden. Dabei bedient sich Zinke nach eigenen Worten aus dem «Werkzeugkasten der Natur». In Mikroorganismen gebe es unzählig viele Enzyme oder Bio-Katalysatoren, die für industrielle Zwecke eingesetzt werden können. (dpa)
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