Auch wenn das russische Gas nun wieder durch ukrainische Leitungen strömen soll: Die Europäer können nach dem Kälteschock aus dem Osten nicht so tun, als sei nichts gewesen. Die Energieminister der 27 EU-Staaten fassten deshalb bei ihrem Brüsseler Krisentreffen am Montag bereits längerfristige Konsequenzen ins Auge.
«Die Gas-Krise ist ein weiterer Beleg dafür, dass die EU so schnell wie möglich in erneuerbare Energien und in Energieeffizienz investieren muss, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern», mahnte Energie-Expertin Frauke Thies von der Umweltorganisation Greenpeace. Bei erneuerbaren Energien - etwa der Stromerzeugung aus Wind und Sonne - sehe man erste gute Schritte. «Aber beim Energiesparen geschieht bei weitem zu wenig», meinte Thies. Vor allem fehle ein verpflichtendes Einsparziel.
Das Energiesparen sei «die wichtigste Energiequelle», betonte auch Staatssekretär Peter Hintze vom Bundeswirtschaftsministerium. Er verlangte in Brüssel zugleich mehr Vielfalt bei Lieferanten und Lieferwegen: «Wir brauchen einen breiten Energiemix mit modernen Kohlekraftwerken, mit erneuerbaren Energien.» Manche Mitgliedstaaten müssten zudem ihre Gasspeicher ausbauen, forderte Hintze und fügte hinzu: «Wir müssen uns auch die Kernkraftfrage, die im Moment aufgeschoben ist, noch einmal in Ruhe vornehmen.»
Das gefällt Umweltschützern weniger. Sie protestieren bereits gegen den Beschluss der slowakischen Regierung, den kürzlich stillgelegten Atomreaktor von Jaslovske Bohunice wegen der Gas-Krise wieder in Betrieb zu nehmen. Die Europäische Kommission warnt, dieser Schritt würde gegen die EU-Verträge verstoßen. Aber die Diskussion über Europas künftigen Energiemix ist in vollem Gange.
Die Energieminister wollen den Fächer europäischer Energiequellen weiter spreizen. Die EU soll vor allem Projekte fördern, die für eine größere Vielfalt bei Quellen und Transportwegen sorgen, heißt es in den Ratsbeschlüssen. In einem knappen Satz erinnern die Minister zudem daran, dass erneuerbare Energien und Sparprogramme ebenfalls zur Versorgungssicherheit beitragen können. Das ist schon länger bekannt, und trotzdem steigt Europas Energieverbrauch nach EU-Angaben seit Mitte der 90er Jahre stetig.
Gerade eingesparte Energie könnte Europa vom russischen Gas unabhängiger machen. Denn viel Erdgas wird immer noch in schlecht isolierten Häusern verheizt, auch wenn genaue EU-Zahlen dazu fehlen.
Greenpeace hat errechnet, dass die EU ihren Gasverbrauch bis 2050 um 58 Prozent verringern könnte - wenn, wie Energieexpertin Thies betont, «die EU entschlossen auf Effizienz und erneuerbare Energien setzen würde». Das rückte am Montag in Brüssel aber rasch in den Hintergrund, als Russland neue Gaslieferungen versprach. (dpa)