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20.10.2011 | 10:37 | Strompreisanstieg 

Kostenfallen bei der Energiewende treiben Strompreis

Berlin - Sie sind eine Art Wächter über die Energiewende. Sie sollen kontrollieren, ob der Netzausbau planmäßig verläuft und welche neuen Kraftwerke notwendig sind.

Stromversorgung
Vor allem aber sollen sie Alarm schlagen, wenn die Kosten für die Stromverbraucher aus dem Ruder laufen könnten. Das am Mittwoch von der Bundesregierung eingesetzte vierköpfige Kontrollgremium unter Vorsitz des Mannheimer Volkswirts Andreas Löschel dürfte viel zu tun haben. «Schon heute haben wir die zweithöchsten Strompreise in Europa», betont Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI.

Wie steinig der Weg zum grünen Strom werden könnte, zeigt die aktuelle Debatte um die Netzentgelte. Bis zu 4.450 Kilometer neue Stromautobahnen und tausende Kilometer neue Verteilnetze in Städten und Kommunen sind nötig, um den plötzlich überall erzeugten Strom etwa aus Wind- und Solarparks zu den Verbrauchern zu bringen. Das wird sich Jahr für Jahr auch in den Entgelten niederschlagen.

Netzentgelte werden ebenso wie die Ökoenergieförderung über den Strompreis bezahlt. Zwar kann die Umlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien 2012 mit Mehrkosten von etwa 2,50 Euro pro Jahr und Haushalt im Griff gehalten werden, doch die Netzkosten könnten diesen Erfolg der Regierung wieder auffressen. Und sie könnten großen Unmut beim Blick auf die Stromrechnung auslösen.

Das Internetvergleichsportal Verivox rechnet zum Jahreswechsel mit einer Erhöhung der Strompreise um durchschnittlich vier Prozent. Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden müsste damit künftig rund 35 Euro brutto mehr im Jahr bezahlen.

Doch es könnte auch noch schlimmer kommen wegen der Netzkosten. Der Energiekonzern und Netzbetreiber EnBW will seine Netzentgelte zum 1.Januar 2012 um durchschnittlich 12 Prozent erhöhen. Eon als einer der größten Betreiber von Verteilnetzen will die Entgelte zum Jahreswechsel um 7 bis 13 Prozent anheben. Mit Mehrwertsteuer sind das bis zu einem Cent pro Kilowattstunde mehr als bisher. Wird dies voll an die Stromendkunden weitergegeben, könnten in diesem Fall die Mehrkosten pro Haushalt die 40-Euro-Schwelle überschreiten.

Das Ganze hat zwei Gründe: Zum einen hatte der Bundesgerichtshof im Juni die Deckelung der Entgelte in der Regulierungsperiode 2009 bis 2013 für ungültig erklärt. Damit können diese nun erhöht werden. Hinzu kommen als Kostentreiber Vergünstigungen für die Industrie.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warf den Grünen in diesem Zusammenhang jüngst Industriefeindlichkeit vor: «Der Unterschied zwischen Union und Grünen ist, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern und gleichzeitig Industrieland bleiben wollen.»

Um Industriebetriebe im Land zu halten, sind Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als zehn Millionen Kilowattstunden pro Jahr in der neuen Stromnetzentgeltverordnung von diesen Abgaben vor kurzem ganz befreit worden. Das bringt Aribert Peters, den Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, auf die Palme: «Es mutet wie ein schlechter Witz an, dass ausgerechnet die Firmen, die die Netze am intensivsten nutzen, dafür nun nichts mehr zahlen müssen».

Peters schätzt die Mehrbelastung für die anderen Stromverbraucher, die den Ausfall zu kompensieren haben, auf jährlich eine Milliarde Euro. In Fachkreisen wird von mittleren dreistelligen Millionenbeträgen gesprochen, das hängt davon ab, wie viele Unternehmen befreit werden. Die Grünen rechnen mit Mehrkosten von jährlich bis zu 50 Euro pro Haushalt durch steigende Netzentgelte und für ein mittelständisches Unternehmen von bis zu 150.000 Euro. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur bestätigt, dass die Regelung Kosten treiben kann, solche Angaben kann er aber nicht bestätigen.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn kritisiert: «Die Befreiung von den Netzentgelten für die besonders stromintensive Industrie ist in einer Nacht-und-Nebel Aktion im Sommer ins Gesetzblatt gekommen.» Das rette keine Arbeitsplätze, «sondern ist ein reines Geschenk für eine Klientel, die im entscheidenden Moment am besten lobbyiert hat». (dpa)
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