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29.03.2009 | 14:17 | Weinproduktion 

Garagenwinzer setzen auf «Klasse statt Masse»

Mainz - «Wir haben eben kein Schloss», sagt der Rheingauer Winzer Anthony Hammond und lächelt verschmitzt.

Garagenwinzer
(c) proplanta
 So betreibe er ein Garagenweingut. Allerdings verbindet der 45 Jahre alte Quereinsteiger mit dem Begriff mehr, als einen kleinen Betrieb mit Hinterhof-Flair in Oestrich-Winkel. «Wir machen alles ein bisschen anders - und haben auch eine völlig andere Kundschaft als die traditionellen Weingüter.» Das wird schon aus der Weinkarte deutlich: Eine Riesling Spätlese heißt «Sugar Babe», der Rosé Perlwein «Pearls & Roses» und ein weißer Cuvée läuft unter dem Namen «Garage No. 7». Von Sonntag an stellt Hammond seine «Garage Winery» drei Tage lang auf der weltgrößten Weinmesse, der ProWein in Düsseldorf, vor.

Angefangen hat der Deutsch-Amerikaner vor neun Jahren, als er mit einem Drittel Hektar Weinberg der Lage Rüdesheimer Berg Roseneck startete und 1.000 Flaschen Riesling produzierte. «Die Trauben haben wir in blauen Ikea-Kisten in einem alten Renault aus den Weinbergen geholt, die Presse war geliehen», erzählt er. Seine ersten Fässer lagerten damals in einer richtigen Garage - einem alten Eiskeller mit Holztor. Inzwischen bewirtschaftet er zusammen mit seiner Frau Simone Böhm, Winzerin und Sommelière, viereinhalb Hektar Rebfläche und produziert 50.000 Flaschen Wein.

«Garagenwinzer sind oft Individualisten, die ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht haben», sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. Sie könnten kein Familienweingut übernehmen - sondern müssten sich den Betrieb selbst aufbauen. Der Ertrag summiere sich am Anfang oft nur auf ein paar tausend Flaschen - die Fässer passten quasi noch alle in eine Garage. Da die Mini-Weingüter nicht auf Masse bauen könnten, gehe es bei ihnen meist um besonders hohe Qualitäten.

«Sie setzen auch weniger auf Technologie, sondern machen vielmehr aus der Not eine Tugend und produzieren sehr naturbelassene Weine», erklärt Büscher. Viele der Garagen-Winzer starten ihre Weinbau- Karriere als Nebenberuf. Doch wenn der Betrieb gut läuft, kauften viele Weinberge hinzu. Ab einer Fläche von rund drei Hektar könne man von einem Weingut leben, erklärt Büscher. Daher entwachsen die meisten erfolgreichen Garagen-Winzer bald dem Exoten-Status. Nach den Schätzungen von Büscher gibt es mehrere Dutzend in Deutschland.

Der Winzer Hans-Bert Espe stammt ursprünglich aus dem Harz und hat sich vor rund sechs Jahren 1,6 Hektar Weinberge der Lagen Malterdinger Bienenberg und Kenzinger Hummelberg in Baden gekauft. «Eine Südhanglage, alte Reben, alles Spätburgunder», schwärmt er. Allerdings kamen mit dem ersten Weinberg auch rasch die ersten Probleme. «Die Lese rückte immer näher und wir hatten keinen Keller», erzählt Espe. Für seine Fässer fand er schließlich einen höchst ungewöhnlichen Lagerort: «Wir mieteten am ehemaligen Luftwaffenstützpunkt in Lahr einen alten Hangar», erzählt Espe, der ebenfalls auf der ProWein vertreten ist.

Hinter einer 50 Zentimeter dicken Betonwand und mit dem grasbewachsenen Dach bot die Flugzeuggarage gute Klima-Bedingungen für die Weinproduktion, und einen Namen für sein Weingut hatte Espe auch gleich: «shelter winery» («Schutzraum-Weingut»). «Wir haben angefangen mit minimaler Ausstattung, brachten die Lese in kleinen Obstkörben ein», erinnert er sich. Im ersten Jahrgang produzierte der 36-Jährige 2.000 Flaschen Pinot Noir. Inzwischen bewirtschaftet er zusammen mit seiner Partnerin Silke Wolf rund drei Hektar und stellt vier verschiedene Weine her. Den Hangar nutzen die beiden nicht mehr - seit der Flugplatz wieder in Betrieb ist, wurde es dort rund 100 Meter neben der Startbahn etwas ungemütlich. (dpa) 
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