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05.10.2017 | 11:00 | Plagiatsvorwurf 
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Glyphosat-Bericht: Bundesinstitut täuscht bewusst

Berlin - Der Bewertungsbericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und damit die wissenschaftliche Grundlage für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zulassungsverlängerung von Glyphosat für weitere 10 Jahre erfüllt in wesentlichen Teilen die „Kriterien eines Textplagiats“.

Glyphosat-Bericht BfR
Sachverständiger erkennt "wissenschaftliches Fehlverhalten" und "bewusste Täuschung". (c) BfR
Zu diesem Ergebnis kommt das heute in Berlin auf einer Pressekonferenz vorgestellte Sachverständigengutachten des Plagiatsprüfers Doz. Dr. Stefan Weber, in dem er drei ausgewählte Kapitel des BfR-Berichts zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat mit entsprechenden Passagen aus dem Zulassungsantrag der Glyphosat-Hersteller vergleicht.

„Über zahlreiche Seiten hinweg wurden Textpassagen praktisch wörtlich übernommen. Die systematische Unterlassung von Quellenangaben und das gezielte Entfernen von Hinweisen auf die tatsächlichen Verfasser der Texte lässt sich nur als bewusste Verschleierung ihrer Herkunft deuten“ erklärt Plagiatsgutachter Weber: „Es ist offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der zitierten Studien vorgenommen hat.“

Das BfR bekennt sich in seinen Leitlinien zu den Grundsätzen der guten wissenschaftlichen Praxis, wie sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für Universitäten und Forschungsinstitute in Deutschland festlegt. Plagiarismus ist laut DFG-Leitlinien ein klarer Ausdruck wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

„Durch das Gutachten von Stefan Weber ist jetzt unzweifelhaft belegt: Die Behörden haben ihren amtlichen Glyphosat-Persilschein zu großen Teilen einfach von Monsanto kopiert. Dabei hat mir die Bundesregierung auf meine ganz konkrete Nachfrage schon im Jahr 2015 versichert, der Bewertungsbericht stamme 'aus der Feder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung'“, erklärt Harald Ebner, Agrar-und Pestizidexperte der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen: „Eine Glyphosat-Neuzulassung darf es auf Basis dieser Plagiats-Risikobewertung nicht mehr geben. Die EU-Kommission müsste ihren Vorschlag jetzt eigentlich selbst einkassieren. Tut sie es nicht, müssen die EU-Staaten sie durch ein deutliches 'Nein' zum Zulassungsvorschlag dazu zwingen. Die noch geschäftsführenden Minister Schmidt und Hendricks dürfen jetzt keinesfalls noch eben schnell die Glyphosat-Neuzulassung durchwinken.“

„Wer abschreibt und sich dabei erwischen lässt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“ erklärt der Toxikologe und Vorstand von PAN Germany, Dr. Peter Clausing: „Verschärft wird dieses Problem, wenn es sich beim Abschreibenden um eine Behörde handelt, die das Gesundheitsrisiko für 500 Millionen Europäer zu bewerten hatte. Fatal wird es letztlich, wenn die abgeschriebenen Inhalte wissenschaftlich falsch sind und aus der Feder eines Pestizidherstellers stammen, der ein vitales wirtschaftliches Interesse an einer Zulassung hat.“

Dass das Plagiieren von Texten aus dem Zulassungsantrag der Industrie nicht nur ein formaler Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit ist, sondern entscheidenden Einfluss auf das Urteil der Behörde hatte, zeigt Dr. Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 anhand eines Beispiels: „Die Krebsforscher der WHO erkannten in der überwiegenden Zahl publizierter Studien 'starke Beweise' für eine DNA-schädigende Wirkung, als krebsauslösenden Mechanismus. Doch das BfR widersprach der WHO und erklärte all diese Studien für 'nicht glaubwürdig' oder 'nicht relevant'. Tatsächlich berief sich die Behörde dabei ausschließlich auf die Argumente und Einschätzungen des Antragstellers.“

Das vorliegende Gutachten zur Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis bezieht sich auf drei ausgewählte Unterkapitel: „publizierte Studien“ zu den Themen Reproduktionstoxizität, Karzinogenität und Genotoxizität des Reports „Final addendum to the Renewal Assessment Report. Risk assessment [...] for the active substance GLYPHOSATE [...]“, erstellt vom BfR zwischen Mai 2012 und Oktober 2015. Jetzt ist eine gutachterliche Plagiatsprüfung des gesamten 4.322 Seiten starken Behördenberichts fällig.  Denn das BfR hat in einer Stellungnahme das Abschreiben aus dem Zulassungsantrag der Industrie als übliche behördliche Praxis dargestellt und suggeriert, dass auch andere, an der Erstellung des Berichts beteiligte Institutionen wie das Julius-Kühn-Institut (JKI), das Umweltbundesamt (UBA) oder das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei ihren Bewertungen zu Glyphosat derart vorgegangen seien. Das muss überprüft werden.
Deutscher Bundestag
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Kommentare 
X schrieb am 06.10.2017 15:51 Uhrzustimmen(21) widersprechen(68)
Ich stimme mit TIM HIRSCHFELD ab
cource schrieb am 05.10.2017 17:52 Uhrzustimmen(37) widersprechen(27)
so was , dann werden die textpassage halt ein wenig geändert, das sind doch alles scheindebatten um demokratische verhältnisse vorzutäuschen, dabei ist es doch ein ungeschriebenes gesetzt, dass die konzerne generell alles vorschreiben was die entscheider abschreiben sollen
Tim Hirschfeld schrieb am 05.10.2017 16:47 Uhrzustimmen(40) widersprechen(79)
Ist dem Sachverständigen eigentlich klar, dass ein Antragsteller für die Zulassung von Wirkstoffen und / oder Pflanzenschutzmitteln, ein sogenannten DAR bzw. dRR vorzulegen haben, wobei das d/D am Anfang für "Draft" steht. Das bedeutet, dass das Dossier als Vorlage vorgeschrieben wird und im Rahmen der Bewertung von den Behörden mit den Inhalten und Ergebnissen von Studien abgeglichen wird. Wenn der Antragsteller seine Arbeit gewissenhaft erledigt und die Behörden in weiten Teilen nichts hinzuzufügen oder zu kommentieren haben, werden die entsprechenden Passagen in den Bewertungsbericht kopiert. Ergo decken sich in diesem Teil der dRR und der RR bzw. der DAR und der RAR weitgehend. Das ist ein gängiges Verfahren in der Bewertung von Agrochemikalien und hat nichts mit Plagiarismus zu tun. Was erwartet der Sachverständige denn? Dass die Dossiers komplett neu zusammengeschrieben werden? Und wie lange sollte ein solches Verfahren in diesem Fall dauern? Das ist doch lächerlich...
agricola pro agricolas schrieb am 05.10.2017 12:25 Uhrzustimmen(30) widersprechen(31)
Unser jüngst erst inthronisierter deutscher Bauernfürst Rukwied, nunmehr als CHEF-Sprachrohr in Amt und Würden zum COPA-Präsidenten in die Führungsspitze von Europas Bauern vorgerückt, plädiert noch immer für eine 15jährige Zulassungsverlängerung(!!!) des berechtigt umstrittenen „Heilsbringers“ Glyphosat, derzeit ausgestattet mit einem mehr als fragwürdigen Persilschein...????

Bei einer solchen ganz offensichtlich gelebten Agrochemiehörigkeit jener berufsständischen Granden dürfen die europäischen Bauern augenscheinlich einzig noch auf unseren Herrgott vertrauen wollen.

Der deutsche Bundestag plaudert doch nicht erst heute aus seinem agrarpolitischen Nähkästchen, Internas hierzu sind doch wohl schon etwas länger in entsprechenden Kreisen bekannt und sicherlich auch im Umlauf!?

Rukwied, setzen 6! - Sie sind für uns Bauern allesamt eine äußerst peinliche Fehlbesetzung!!!
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