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28.06.2015 | 02:00 | Wirkstoffrückstände 

Glyphosat-Studie der Grünen schlägt Wellen

Berlin - Die Rückstandsfunde von Glyphosat in Muttermilch in einer nicht repräsentativen Studie der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Diskussion um diesen Herbizidwirkstoff weiter angefacht.

Glyphosatgrenzwert
(c) proplanta
Die Grünen hatten jeweils 16 Proben Muttermilch und Urin auf Glyphosat prüfen lassen und die Untersuchungsergebnisse vergangene Woche publik gemacht. Damit verbunden bekräftigte der Sprecher für Agrogentechnik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Harald Ebner, seine Forderung, die Zulassung von Glyphosat auszusetzen. Ebner sprach sich zudem für ein umfassendes Humanmonitoring aus.

In den Urinproben lagen die festgestellten Rückstände den Angaben zufolge zwischen 0,276 ng/ml und 2,273 ng/ml. In den Muttermilchproben wurden Glyphosatgehalte zwischen 0,210 ng/ml und 0,432 ng/ml festgestellt. Ebner kritisierte vor allem, dass die gefundenen Werte über dem Glyphosatgrenzwert für Trinkwasser von 1 μg/l lägen. Allerdings liegen die gefundenen Gehalte gleichzeitig weit unter den festgelegten Höchstmengen für Nahrungsmittel, die in der Rückstandshöchstmengenverordnung aufgeführt werden, darunter auch fürMilch mit 0,01 mg/kg.

Während der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Alexander Bonde sich den Forderungen seines Parteikollegen Ebners anschloss, warnten die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat und der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern vor irreführende Aussagen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium verwies auf das laufende Bewertungsverfahren zu dem Wirkstoff und sieht auch aus den bisherigen Ergebnissen keinen akuten Handlungsbedarf.

Kritische Stimmen berücksichtigt

Eine Sprecherin des Ressorts von Christian Schmidt erinnerte gegenüber AGRA-EUROPE daran, dass der vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erarbeitete Entwurf eines Bewertungsberichts zum Pflanzenschutzmittelwirkstoff Glyphosat bereits Ende 2013 an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die EU-Kommission übermittelt worden sei. Der Berichtsentwurf sei nach intensiver und sorgfältiger fachlicher Prüfung aktueller Erkenntnisse erstelltworden; mehr als 1.000 neue Veröffentlichungen zum Wirkstoff seien eingeflossen, darunter auch Studien, die in den letzten Jahren zu Diskussionen in der Öffentlichkeit und in den Medien geführt hätten

Im Rahmen einer bis Januar 2015 durchgeführten öffentlichen Konsultation der EFSA zu dem Bewertungsbericht seien erneut aktuelle Erkenntnisse zum Wirkstoff in die Bewertung eingebracht worden, erklärte die Sprecherin. Da innerhalb der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterschiedliche Bewertungen des Wirkstoffs vorlägen, werde dies auf Bitte Deutschlands hin derzeit geklärt. Die fachliche Beurteilung von Glyphosat durch das BfR sei unverändert. Ein Verbot in Deutschland sei nur möglich, wenn der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier oder der Schutz vor Gefahren, insbesondere für den Naturhaushalt, erforderlich wäre.

Effekthascherei vorgeworfen

DieArbeitsgemeinschaft Glyphosat, in der sich verschiedene Unternehmen der deutschen Pflanzenschutzindustrie zusammengeschlossen haben, rügte die Verunsicherung vieler Familien durch die Berichterstattungüber dieWirkstofffunde.DieAnlage derUntersuchung und ihre „effektheischendeArt der Veröffentlichung“ hält sie für bedenklich. Der Vergleichmit Trinkwasser-Grenzwerten klinge auf den ersten Blick besorgniserregend. Es handele sich jedoch nicht um einen toxikologischen Grenzwert, sondern eine frühere Nachweisgrenze. Muttermilch sei ein sensibles und wichtiges Nahrungsmittel. Aber die darin festgestellten Mengen an Glyphosat sollten nicht zu falschen Schlüssen führen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen gäben sie keinen Anlass zur Sorge.

Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern forderte eine faire und wissensbasierte Diskussion auf der Grundlage von repräsentativen Studien.Man dürfe die Bevölkerung anhand von Stichproben nicht verunsichern. Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl warf den Grünen vor, Landwirtschaft als ihr Thema ausgemacht und alle Register zu ziehen, um auf Stimmenfang zu gehen und die „aktuelle, turnusgemäße Neubewertung des Wirkstoffes in der EU zu konterkarieren“. Einsparungen in manchen Einsatzbereichen seien möglich, räumte Tietböhl ein. Aus Sicht der Landwirtschaft sei das Mittel aber unverzichtbar, denn es gebe keine schonendereAlternative zum Glyphosat.

Vorsorgeprinzip beachten

Minister Bonde zeigte sich unterdessen „äußerst beunruhigt“ von den Ergebnissen. Nachdem im März die Krebsforschungsagentur IARC der WHO Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft habe, sei dies das nächste alarmierende Signal. Der Stuttgarter Landwirtschaftsminister erinnerte daran, dass die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) im Mai dieses Jahres den Bund aufgrund der neuen WHO-Bewertung aufgefordert habe, aus Vorsorgegründen die Abgabe des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat an Privatpersonen zu verbieten. Außerdem habe sich die VSMK für ein vorläufiges Verbot der Glyphosat-Anwendung auf Flächen ausgesporchen, die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt würden, bis eine abschließende Neubewertung vorliege.

Für den Agrarreferenten der Umweltorganisation Greenpeace, Dr. Dirk Zimmermann, zeigt das Beispiel „einmal mehr“, dass es „keinen sicheren Einsatz von gefährlichen Pestiziden gibt“. In der EUgelte das Vorsorgeprinzip. Das gebiete, den Einsatz solcher Pflanzenschutzmittel zu beenden. (AgE)
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