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23.10.2008 | 19:27 | Weinbau  

Reif auf der Insel - In Bacharach wächst Wein mitten im Rhein

Bacharach - Friedrich Bastian der Achte stapft in Gummistiefeln die langen Reihen der Rebstöcke entlang.

Reif auf der Insel - In Bacharach wächst Wein mitten im Rhein
Pflückt hier eine Traube, zupft dort ein Blatt ab. «Das wird ein richtig guter Jahrgang», meint der 40 Jahre alte Winzer. Die Trauben sind aber nicht nur deswegen etwas Besonderes: Sie wachsen bei Bacharach auf einer Insel im Rhein, mitten im Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal.

Das Weingut Bastian ist ein Bacharacher Urgestein, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter reichen. 1635 kam die hugenottische Familie aus Frankreich in das «Vierthäler-Gebiet» am Rhein, 1697 wurde Friedrich Bastian der Erste geboren und das Weingut gegründet. Die Insel «Heylesen Werth» wurde 1797 von der Familie ersteigert, für 735 Goldflorint. «Das waren für eine Familie damals gut zwei Jahresgehälter», sagt Bastian.

«Heylesen Werth» ist rund sieben Hektar groß und rundherum mit einem dichten Kranz von Bäumen bewachsen. Die schützen den Wein, der auf zwei hochwasserfreien Hektar im Inneren der Insel wächst, vor Wind und die Insel vor Abtragung - die Baumwurzeln halten den Flusssand fest, der sich auf dem blauen Devonschiefer der Insel abgelagert hat. «Vor kurzem waren einige Geologen hier und haben Bodenproben genommen», erzählt Bastian. Obwohl noch keine endgültigen Ergebnisse feststehen, gehört das Eiland wohl zu den ältesten Inseln im Rhein.

Ausschließlich Riesling wird auf der Insel angebaut. «Diese Rebsorte eignet sich besonders gut, weil sie sehr robust ist», sagt Bastian. «Andere Rebsorten sind gescheitert, weil sie fäulnisanfällig waren», erklärt er. Dass die Pflanzen durch den Fluss immer von unten Wasser bekommen, ist aber auch ein großer Vorteil. «In heißen Sommern und wenn es sehr trocken ist, stellen die Reben auf den Steilhängen die Arbeit ein», sagt der Winzer. Auf der Insel konnten die Bastians so auch im extrem trockenen «Jahrhundertsommer» 2003 eine gute Ernte verzeichnen. Für gewöhnlich werden im Jahr ein oder zwei Inselweine produziert, «einer trocken, einer halbtrocken», so der Winzer.

Bis 1937 wohnte Bastians Ur-Großvater auf der Insel - in einer Backsteinvilla aus der Gründerzeit, mit schmucken schmiedeeisernen Balkonen und einer Terrasse in Form eines Schiffsbuges, von der aus man den vorbeifahrenden Rheinschiffen zuwinken konnte. Heute nagt der Zahn der Zeit an der alten Villa. Die Fensterscheiben sind von nächtlichen Inselgästen eingeschlagen worden, die Tapete hängt nur noch in Fetzen an den Wänden, Efeu überwuchert die zierlich geschwungenen Balkongeländer. «Natürlich ist das schade», meint der Winzer. «Aber es ist uns finanziell einfach nicht möglich, die Villa zu erhalten.» So erobert sich die wildwuchernde Natur auch diese Ecke der Insel zurück.

«Bacchi Ara» - so heißt die eigene Fähre, mit der Bastian auf die Insel übersetzt. Besonders zur Erntezeit im Herbst herrscht reger Betrieb, und die Fähre transportiert neben den Erntehelfern auch den Traktor und den Erntewagen. Monatelang hatten der örtliche Schmied und sein Vater an der Fähre gebaut, bis sie schließlich in einer Nacht im Sommer 1975 auf Bohlen und Hölzern quer durch Bacharach ans Ufer geschleift wurde. «Das war eine Riesengaudi im Ort», erinnert sich der Winzer. Freunde und Bekannte begleiteten die Inselfähre mit Lichtern zum Rhein, wo sie feierlich zu Wasser gelassen wurde.

Das Weingut der Bastians gehört mit knapp sechs Hektar Anbaufläche zu den mittelgroßen Gütern im Rheintal und ist seit 1987 Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsweingüter. Zahlreiche Auszeichnungen - auch für den Inselwein - bescheinigen dem Weingut seit Jahren die hohe Qualität seiner Weine. «Wir sind auf Riesling spezialisiert», sagt Bastian - etwa 85 Prozent der Produktion macht der Riesling aus. Er wächst auf der Insel und auf den Steilhängen rund um Bacharach, weitere Weingärten auf der ersten Höhenterrasse über dem Rhein sind mit Scheurebe und Spätburgunder bepflanzt.

Das Leben des Winzers ist geprägt von zwei Leidenschaften: dem Wein und der Musik. «Schon während meiner Winzerlehre habe ich mit dem Singen begonnen, danach in München Gesang studiert», erzählt er. Noch im Studium hat er das Gut von seinen Eltern übernommen und in den Semesterferien und an verlängerten Wochenenden in Bacharach «den Wein gemacht», nach dem Studium parallel zum Weinbetrieb in Gastverträgen an der Münchener Staatsoper und dem Staatstheater Darmstadt gesungen.

Die Musik und das Singen waren und sind auch auf dem Weingut präsent: In warmen Sommernächten transportiert die «Bacchi Ara» Bastians Konzertflügel auf die Insel. Mit musikalischer Begleitung kann dann auf «Heylesen Werth» der Wein verkostet werden. «Mein Motor ist, beide Geschichten zusammen zu bringen», sagt der Winzer. «Musik und Wein - das passt doch toll zusammen.» (dpa)
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