Vorsprung durch Wissen
schließen x
Suchbegriff
Rubrik
 Suchen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
23.11.2013 | 16:21 | Welttoilettentag 2013 

Toiletten können Leben retten

Addis Abeba - Äthiopien hat in punkto Toiletten ehrgeizige Ziele: Das Land am Horn von Afrika will bis 2018 allen Einwohnern den Zugang zu Sanitäreinrichtungen ermöglichen.

Toilette
(c) proplanta
Derzeit ist die Situation in weiten Landesteilen aber alles andere als rosig: Viele Menschen verrichten ihr Geschäft nach wie vor im Freien, und wenn es eine Form von Toiletten gibt, dann handelt es sich meist um verdreckte Grubenlatrinen.

Erst wenn die Menschen mittels ekelerregender Beispiele die Gefahren von Fäkalien erkennen, ändert sich etwas in den Köpfen, erklärt der Chef des Unicef-Programms WASH in Äthiopien, Samuel Godfrey, im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Frage: Wie ist die derzeitige Sanitärversorgung in Äthiopien? Gibt es genügend Toiletten?

Antwort: Die Situation hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr verbessert. Im Jahr 2000 hatten nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung irgendeine Form von Toiletten zur Verfügung, heute sind es mehr als 60 Prozent. Das ist eine ganz enorme Leistung für ein Land von der Größe und Komplexität Äthiopiens. Aber es gibt weiterhin große Herausforderungen, vor allem was die Hygiene dieser Toiletten betrifft.

Frage: Wie hat Äthiopien diese Verbesserung denn geschafft?

Antwort: Zu so einem Erfolg gehören immer mehrere Faktoren. Vor allem muss politischer Wille vorhanden sein. In Äthiopien hat zudem die Einführung des von Unicef unterstützten CLTSH-Programms (von örtlichen Gemeinschaften selbst organisierte Sanitärversorgung und Hygiene) zum Erfolg geführt. Ursprünglich kommt das Programm aus Bangladesch. Um soziale Veränderung herbeizuführen und die Leute dazu zu bringen, ihr Geschäft nicht mehr im Freien zu verrichten, werden sie durch Ekel aufgerüttelt. Zwar ist dieser Ansatz sehr aggressiv, aber er ist auch extrem wirksam.

Frage: Können Sie uns erklären, wie das genau funktioniert?

Antwort: Zunächst gehen die Dorfbewohner mit einem Ausbilder zu der Stelle, wo die ganze Gemeinde ihr Geschäft verrichtet und überall Kot herumliegt. Der Ausbilder nimmt etwas frischen Kot und füllt ihn in eine Flasche mit Wasser. Dann bietet er den Leuten an, davon zu trinken. Diese lehnen das natürlich schockiert ab.

Dann wird ihnen erklärt, dass sie aber genau dieses Wasser trinken, denn wenn es regnet werden die Fäkalien ja direkt ins Grundwasser gespült. Dann wird ein frisch gekochtes Essen gleich neben einen Teller voller Fäkalien gestellt. Sofort kommen Fliegen herbei, die sich zunächst auf den Kot setzen und dann auf das Essen, wo sie Kot-Partikel hinterlassen. Danach verstehen die Menschen, welche Gefahren der Stuhlgang im Freien mit sich bringt.

Frage: Was sind die Folgen einer mangelnden Sanitärversorgung?

Antwort: Wichtig ist vor allem, dass in einem Dorf sämtliche Haushalte Zugang zu Sanitäreinrichtungen haben. Um Risiken auszuschließen, müssen die Grubenlatrinen einen Deckel haben, der Fliegen abhält. Und wenn auch nur eine einzige Familie im Freien defäkiert, ist das ganze Dorf gesundheitlich gefährdet. Am schlimmsten betroffen sind ältere Menschen und Kinder, die kein starkes Immunsystem haben.

Bei Kindern kommt es unter anderem zu Durchfall und körperlicher und geistiger Unterentwicklung, die durch Mangelernährung hervorgerufen wird. Denn wenn ein Kind ständig Durchfall hat, kann der Körper keine Nährstoffe verwerten. Auch Malaria, Poliomyelitis und Rotavirus sind direkte Folgen einer mangelnden Sanitärversorgung.

Frage: Warum ist es so schwer, die Menschen in Äthiopien davon zu überzeugen, sanitäre Einrichtungen zu benutzen?

Antwort: Die Leute leben hier größtenteils von der Landwirtschaft. Viele benutzen natürliche Düngemittel, und es ist ihnen egal, ob es sich dabei um die Fäkalien von Tieren oder von Menschen handelt. Sie wissen, dass die Produktivität steigt, wenn sie auf den Feldern defäkieren. Das ist seit Generationen immer so gewesen. Sie verstehen deshalb nicht, warum sie ihr Verhalten ändern sollten, da es sich für sie um ein Produktionsmittel handelt und nicht um ein Risiko.

Frage: Ist es dann realistisch, dass Äthiopien sein Ziel erreicht, innerhalb von fünf Jahren 100 Prozent der Bevölkerung mit Sanitäreinrichtungen auszustatten?

Antwort: Äthiopien möchte unbedingt ein Land mit mittlerem Einkommen werden, und um diese Klassifizierung zu erreichen, spielt die Sanitärversorgung eine große Rolle. Zudem steigern Hygiene und sanitäre Einrichtungen nicht nur den Tourismus, sondern im allgemeinen den wirtschaftlichen Aufschwung eines Landes - auch weil die Bevölkerung weniger krank wird. Deshalb sind die Pläne der Regierung so ehrgeizig.

Anders als in anderen Ländern Afrikas sind tausende Gesundheitsarbeiter im Auftrag des zuständigen Ministeriums im Einsatz, die in allen Landesteilen arbeiten. Sie sprechen die Sprache ihrer eigenen Leute - und können deshalb viel zur Erreichung des Ziels beitragen.
zurück
Seite:12
weiter
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Fäkalien-Krise: Wie Abwasser Englands Flüsse und Küsten verpestet

  Kommentierte Artikel

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein

 Keine Reduzierung beim Fleischkonsum durch Aufklärung

 Größter Solarpark von Rheinland-Pfalz eröffnet

 Gipfelerklärung der EU setzt auf Lockerungen für Landwirte

 Grundwasser in Bayern wird weniger

 Lindnerbräu - Hoch die Krüge!

 Mutmaßlicher Wolfsangriff - mehrere Schafe in Aurich getötet

 Weniger Schadholz - Holzeinschlag deutlich gesunken