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24.12.2012 | 14:00 | Weihnachtsgans Zubereitung 

Warum die Weihnachtsgans richtig fettig sein muss

Mainz - Der Hefekuchen im Büro des Physikers Thomas Vilgis ist ungeplant zu einer Art Dauerexperiment geworden.

Weihnachtsgänse
Weihnachtsgans (c) svenja98 - fotolia.com
«Ach, den haben wir mal bei Fernsehaufnahmen gebacken und dann habe ich ihn im Ofen vergessen», erzählt der Forscher im Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. Obwohl schon ein paar Jahre alt, hat sich das Backwerk bis auf ein paar Risse gut gehalten. Aber warum interessiert sich ein Physiker für Kuchen?

«Ich bin in der großartigen Lage, fast nur über Essen nachdenken zu dürfen», beschreibt Vilgis seinen Beruf. Der Hobbykoch befasst sich auch in seiner Forschung überwiegend mit den physikalischen und chemischen Eigenschaften von Lebensmitteln. Er hat bereits mehrere Bücher über die Molekularküche geschrieben, bei der Köche mit diesen Eigenschaften experimentieren und besonders ausgefallene Speisen zubereiten.

Wie sind Pflanzenzellen aufgebaut und was bedeutet das für das Kochen? Wie verändern verschiedene Sorten von Zucker ein Gericht? Welches Geliermittel ist am besten geeignet, um bestimmte Aromen freizusetzen? Das sind Fragen, mit denen sich Vilgis befasst. Sie betreffen naturgemäß nicht nur die Molekularküche oder das alltägliche Kochen, sondern vielmehr grundlegende Zusammenhänge der industriellen Lebensmittelproduktion.

Forschung ist wichtig für die Lebensmittelindustrie, nicht nur um Produktionsabläufe zu optimieren und etwa Energie zu sparen. Es gehe auch darum, Gehalte an möglicherweise kritischen Inhaltsstoffen zu minimieren, sagt eine Sprecherin des Forschungskreises der Ernährungsindustrie in Bonn.

Der Zusammenschluss unterstützt unter anderem Wissenschaftler, die bestimmten Bakterien in Lebensmitteln auf der Spur sind oder neue Röstverfahren für Kakao untersuchen.

Streng wissenschaftlich betrachtet, ist jede Küche eine Art Labor. Durch Rühren, Kochen, Braten und Einfrieren verändern die Moleküle in den Lebensmitteln ihre Struktur. Eine Firma hat beispielsweise im Max-Planck-Institut Pasta- und Brotteig wissenschaftlich untersuchen lassen. Über die Verbindung von Stärke und Wasser im Teig, da sei Vieles noch nicht aufgeklärt, sagt Vilgis.

Einen molekularen Mechanismus haben vielleicht schon viele in der eigenen Küche beobachtet: Bei Brotteig muss man an einem bestimmten Punkt aufhören zu kneten, sonst ist er überknetet und hält nicht mehr so gut zusammen. «Das ist wie bei einem Orangennetz, wenn die Maschen aufgeschnitten werden und die Früchte rausfallen.»

Auch wenn Vilgis zu Hause am eigenen Herd steht, gehen ihm die Polymerstrukturen von Fleisch, Fisch und Gemüse durch den Kopf. «Ich überlege etwa, wie ich ein Gewürz am besten dorthin ins Gericht bekomme, wo ich es möchte», erzählt er. Und er hat auch jede Menge Ratschläge parat, etwa für eine Schokocreme. «Statt Eigelb kann man auch Sojamilch als Emulgator verwenden», schlägt Vilgis vor. Bei 40 bis 45 Grad im Wasserbad in dunkle Schokolade eingerührt - das sei schmackhaft.

Für die Zubereitung von Quittenmarmelade steckt der Physiker die festen gelben Früchte zuerst rund vier Minuten in die Mikrowelle. dadurch werden sie weich und lassen sich besser weiterverarbeiten. Seine Forschungsergebnisse veröffentlicht Vilgis in der Fachliteratur, aber auch für jeden zugänglich im selbstverlegten Magazin «Journal Culinaire - Kultur und Wissenschaft des Essens».

«Insgesamt ist Gemüse schwieriger zu kochen als etwa ein Stück Fleisch, das ich einfach in der Pfanne brate», sagt Vilgis. Allerdings stecke etwa in Karotten viel mehr, als bei der «normalen Kocherei» zum Vorschein kommt. Die Vorschläge des Experten: Karotten in Orangenöl dünsten oder mal als süßes Püree zubereiten. «Daraus kann man dann auch gefrorene Würfelchen herstellen, diese in flüssige Schokolade tauchen und nach dem Erkalten als Praline servieren. Köstlich.»

Wichtigster Tipp für die Weihnachtsgans: Sie muss schön fettig sein, weil Fett das Austrocknen verhindert. «Ich würde sie auch nicht unbedingt bei 250 Grad in den Ofen schieben, sondern eher bei verhaltenen Temperaturen.» Erst außen anbraten für die Knusprigkeit und dann bei höchstens 100 Grad garen und lieber länger drinlassen. Wer noch mehr Röstaromen möchte, kann die Gans zum Abschluss mit dem Gasbrenner nochmal schön abflämmen. (dpa)
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