In ihrem am Dienstag (15.3.) an die Behörde in Rom verschickten Brief weisen die 28 Parlamentarier aus verschiedenen Fraktionen darauf hin, dass neben dem russischen Überfall auf die Ukraine und der Corona-Pandemie vor allem China durch das „Horten von Getreide“ die
Lebensmittelpreise zusätzlich in die Höhe treibe.
Die Parlamentarier monieren, dass sich die chinesischen Getreidebestände auf einem „historischen“ Höchststand befänden. Es sei davon auszugehen, dass Peking mehr als die Hälfte der weltweiten Mais-, Reis- und Weizenreserven eingelagert habe. Von FAO-Generaldirektor Dr. Qu Dongyu wollen die Abgeordneten wissen, welche Maßnahmen der frühere stellvertretende
Landwirtschaftsminister Chinas ergreifen will, um die hohen Agrarpreise auf dem
Weltmarkt zu senken und sein Heimatland davon abzuhalten, die Vorräte weiter aufzustocken.
Auskunft soll der FAO-Generaldirektor auch darüber geben, ob seine Organisation mit der ukrainischen Regierung über den Schutz der Zivilbevölkerung vor dem drohenden Hunger beraten habe. Die Europapolitiker mahnen „substantiellere“ Maßnahmen an, die über die Entsendung eines Teams in die Westukraine hinausgehen sollen. Ferner wird Qu aufgefordert, die russischen Aggressionen klar zu verurteilen.
Nahrungsmittelpreise auf Allzeithoch
Die Unterzeichner des Schreibens, darunter die drei EU-Agrarpolitiker Jarosław Kalinowski, Eric Andrieu und Bronis Ropė sowie die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, Anna Cavazzini, stellen fest, dass die
Nahrungsmittelpreise bereits seit der Corona-Pandemie gestiegen seien, nun aber ein Allzeithoch erreicht hätten.
Russland und die Ukraine seien wichtige Exporteure von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Gerste, Mais und Sonnenblumenöl. Darüber hinaus hätten die russischen Kriegshandlungen in der Ukraine nicht nur die Versorgungskette, sondern auch die dortigen landwirtschaftlichen Aktivitäten unterbrochen und außerdem zu exorbitant hohen Preisen für Düngemittel beigetragen.
Mehr als ein Drittel aller Länder seien von den Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland abhängig. Die
FAO selbst hatte Anfang März berichtet, dass die Weltmarktpreise für wichtige landwirtschaftliche
Erzeugnisse im Februar ein Rekordhoch erreicht hätten, und das obwohl die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine erst zum Teil durchgeschlagen seien. Der von der Behörde berechnete Index erreichte im vorigen Monat den Höchstwert von 140,7 Punkte und lag damit um 24,1 % über dem Vorjahresniveau.
„Countdown für eine Katastrophe“
Ein Land, wo die höheren Agrarpreise sich bereits dramatisch auswirken, ist der Jemen. Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen, die FAO und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) schlugen zu Beginn voriger Woche Alarm und riefen eindringlich dazu auf, mehr Finanzmittel zur Unterstützung der Hungernden im Jemen bereitzustellen.
Die Organisationen rechnen damit, dass sich dort die Zahl der Hungernden bis Jahresende auf 7,3 Millionen erhöht. Dem WFP zufolge wird das Geld knapp. Maßnahmen könnten in den nächsten sechs Monaten nur zu 11 % finanziert werden.
Insgesamt würden rund 1,8 Mrd. Euro benötigt, um allein bis Jahresende alle Hungernden im Jemen Lebensmittel zukommen zu lassen. Laut WFP-Exekutivdirektor David Beasly läuft „der Countdown für eine Katastrophe“, die Zeit werde knapp. Wenn aber jetzt gehandelt werde, gebe es noch eine Chance, die drohende Katastrophe abzuwenden und Millionen von Menschen zu retten, so Beasley.
Dem WFP zufolge tragen Arbeitsplatzmangel, die hohen Lebensmittelpreise bei gleichzeitig gekürzten oder gestoppten Gehaltszahlungen „zu einer quantitativ und qualitativ schlechten Ernährung“ sowie zu mangelnder Hygiene bei. Laut WFP-Angaben stammten 31 % des Weizens, der in den vergangenen Monaten im Jemen ankam, aus der Ukraine. Die Preise dafür hätten dabei schon das Siebenfache des Niveaus von 2015 erreicht.
Dürre in Ostafrika
Derweil lenkte die Entwicklungsorganisation Oxfam den Blick auf Ostafrika. Die Länder dort seien mit einer alarmierenden Hungerkrise konfrontiert. Äthiopien, Kenia und Somalia würden von einer anhaltenden
Dürre - der schlimmsten seit Beginn der Aufzeichnungen - heimgesucht, während der Südsudan das fünfte Jahr in Folge von schweren
Überschwemmungen betroffen sei, berichtete Oxfam am Freitag (18.3.) in Berlin.
Mehr als 70 % der dortigen Bevölkerung benötige dringend Hilfe. Insgesamt seien mehr als 44 Millionen Menschen in der Region von humanitärer Hilfe abhängig. Oxfam wies darauf hin, dass im Jahr 2010 die internationale Gemeinschaft zu spät auf die Krise am Horn von Afrika reagiert habe. In der folgenden Hungersnot seien rund 260.000 Menschen gestorben.
Im Jahr 2017 habe dagegen durch umfassende humanitäre Hilfe eine Hungersnot abgewendet werden können. Heute stünden die Zeichen schlechter: Die eskalierende Krise in der Ukraine werde sich auf die
Nahrungsmittelkrise in Ostafrika auswirken und drohe, die Aufmerksamkeit der Welt von den enormen humanitären Anstrengungen abzulenken.