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12.12.2010 | 18:43 | Industrieverband Agrar 

IVA: Produktivität muss Leitbild für nachhaltige Landwirtschaft sei

Frankfurt/Main - Verband befürchtet vor drittem NAP-Forum weitere bürokratische Hemmnisse / „Agrarsektor von morgen nicht mit Argumenten von gestern diskutieren“

Pflanzenschutzmittel
Die Agrarpolitik in Deutschland und Europa verliert das Leitbild einer innovativen und produktiven Landwirtschaft aus den Augen und erschwert so indirekt die Nahrungsmittelversorgung von Menschen in ärmeren Weltregionen. Dies befürchtet der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vor dem in Bonn stattfindenden 3. Forum „Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP). Der Wirtschaftsverband, der die Interessen der agrochemischen Industrie in Deutschland vertritt, verweist auf die schon heute im internationalen Vergleich strengen Vorgaben und Regelungen zur Zulassung zum Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft und fordert, diese nicht unnötig weiter zu bürokratisieren.

„Schon jetzt handelt die deutsche Landwirtschaft vorbildlich, wenn es darum geht, die Risiken, die mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbunden sind, zu begrenzen“, betont Volker Koch-Achelpöhler, Hauptgeschäftsführer des IVA. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird, so Koch-Achelpöhler, im Rahmen des integrierten Anbaus auf das unverzichtbare Minimum begrenzt. Für den Einsatz gelten eng gefasste Regeln, deren Einhaltung die Behörden überwachen.

„Im Ergebnis sehen wir heute, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern in den vergangenen 20 Jahren immer weiter zurückgegangen sind. Und Überschreitungen von Rückstands-Höchstgehalten in Nahrungsmitteln – eine ausgeprägte Sorge vieler Verbraucher – kommen bei deutschen landwirtschaftlichen Produkten nur noch in Ausnahmefällen vor. Unsere Lebensmittel sind sicher“, unterstreicht Koch-Achelpöhler. In ihrem jüngsten Monitoringbericht hatte die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bei über 60 Prozent aller genommenen Proben überhaupt keine Rückstände feststellen können; nur 2,4 Prozent der Proben insgesamt und 1,9 Prozent der deutschen Proben wurden beanstandet.

Nach Ansicht des IVA-Hauptgeschäftsführers setzt die agrarpolitische Debatte in Deutschland und Europa falsche Schwerpunkte und gibt keine Antworten auf die wichtigste Zukunftsaufgabe der Landwirtschaft, nämlich die Ernährung einer bis zur Mitte des Jahrhunderts auf neun Milliarden Menschen angewachsenen Weltbevölkerung. „Wir müssen heute entscheiden, welchen Agrarsektor wir morgen in Deutschland und Europa haben wollen; dabei geistern immer noch völlig überholte Bilder von Butterbergen und Milchseen umher. Die Realität ist längst eine andere: Weil wir unsere landwirtschaftliche Produktivität zu lange vernachlässigt haben, ist Europa zu einem Nettoimporteur von Agrargütern geworden.“

Die Folgen dieses Produktivitätsdefizits hat der renommierte Agrarwissenschaftler und Präsident des Berliner Humboldt Forum für Ernährung und Landwirtschaft, Professor Harald von Witzke, als virtuellen Import von Ackerboden bezeichnet. Nach seinen Berechnungen beanspruchen die Länder der Europäischen Union für die Herstellung ihrer Agrargüter rund 35 Millionen Hektar Agrarland in anderen Regionen der Welt. Das entspricht in etwa der gesamten Fläche Deutschlands.

Nach Ansicht des IVA stellt eine weitere „Ökologisierung“ der Landwirtschaft, wie es EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos kürzlich ankündigte, auf Sicht zentrale Nachhaltigkeitsziele in Frage. „Nachhaltigkeit beschrieb schon immer ein Spannungsfeld zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielen – Ansätze, die einen der drei Aspekte vernachlässigen oder überbetonen, sind nicht wirklich nachhaltig. Wir können in Europa nicht ignorieren, dass die Landwirtschaft eben vor allem ein Wirtschaftszweig ist, und den Rest der Welt zwingen, unsere Defizite auszugleichen“, betont Koch-Achelpöhler.

Zum Hintergrund: Als Teil eines umfassenden Gesetzgebungspakets zum Pflanzen­schutz hat die Europäische Union im vergangenen Jahr die Richtlinie 2009/128/EG verabschiedet. Die Richtlinie schreibt allen Mitgliedsstaaten vor, bis Ende des Jahres 2012 einen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erarbeiten und umzusetzen. In den Beratungen zum Nationalen Aktionsplan vertritt der Industrieverband Agrar die deutsche Pflanzenschutz-Industrie. (iva)
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