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15.11.2017 | 03:05 | Jamaika-Koalition 

Jamaika-Streit um Kohlestrom: Umweltbehörde schaltet sich ein

Berlin - Im Streit der Jamaika-Parteien über Klimaschutz und Kohlestrom hat das Umweltbundesamt einen eigenen Kompromissvorschlag vorgelegt.

Kohlestrom
Muss die Kohle weg - und wenn ja, wie schnell? Die Frage des Klimaschutzes ist eine der schwierigsten in den Jamaika-Sondierungen. Nun schlägt eine Bundesbehörde einen Kompromiss vor - und ein Ministerpräsident scheibt der Kanzlerin. (c) Marco Becker - fotolia.com
Die Behörde, die zum bislang noch SPD-geführten Umweltministerium gehört, regte am Dienstag an, mindestens fünf Gigawatt der ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke stillzulegen - das entspräche einer Größenordnung von etwa zehn Kraftwerksblöcken. Zusätzlich solle die Stromproduktion von Kohlekraftwerken, die älter als 20 Jahre sind, gedrosselt und der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden.

Der Behörde zufolge ließe sich der Rückstand auf die deutschen Klimaziele bis 2020 damit größtenteils beheben, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. 50 bis 65 Tonnen CO2 pro Jahr würden damit eingespart.

Über die Reduktion des Kohlestroms in Deutschland streiten derzeit die Jamaika-Parteien CSU, CSU, FDP und Grüne - das Thema gilt als eines der schwierigsten. Am Dienstagabend sollten die Fachpolitiker sich mit externen Experten zusammensetzen, um über grundsätzliche Annahmen und mögliche Instrumente zu beraten. Am Mittwochabend wollten sich erneut die Verhandlungsführer mit den Fachpolitikern dazu austauschen.

Der Vorschlag des Umweltbundesamts (UBA) sieht vor, dass Braun- und Steinkohlekraftwerke, die älter als 20 Jahre sind, nur noch ein Strombudget von maximal 4.000 sogenannten Volllaststunden pro Jahr produzieren dürfen. Kraftwerke laufen oft nicht auf Höchstleistung.

Ein Budget von 4.000 Volllaststunden bedeutet, dass ein Kraftwerk so viel Strom produzieren darf, wie in 4.000 Stunden bei voller Auslastung möglich wäre. Das habe «keine nennenswerten Auswirkungen auf die Zahl der dort Beschäftigten», heißt es beim UBA.

Dagegen warnte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) davor, «die Versorgungssicherheit in Deutschland auf Basis interessengeleiteter Gutachten zu riskieren.» Er bezog sich auf die Denkfabrik Agora Energiewende, die in ihren Berechnungen zur Versorgungssicherheit von zu optimistischen Grundannahmen ausgehe. So werde etwa der Strombedarf «methodisch unterschätzt». Von einem Aus für die Braunkohle wären Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt betroffen.

Die Grünen fordern in den Jamaika-Sondierungen, 20 Kraftwerksblöcke schnell abzuschalten, um das Klimaziel 2020 noch zu schaffen. Umstritten ist, wie viel Tonnen CO2 überhaupt zusätzlich eingespart werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen ist auch umstritten, ob die Kraftwerksbetreiber entschädigt werden sollen.

«Der Vorschlag des Umweltbundesamtes zeigt: Das Abschalten alter Kohlekraftwerke ist der kostengünstigste und am schnellsten umsetzbare Vorschlag zum Erreichen des Klimaschutz-Ziels 2020», sagte Grünen-Energieexperte Oliver Krischer.

Vor der erneuten Klimaschutz-Sondierungsrunde am Mittwochabend wurde Kanzlerin Merkel in Bonn beim UN-Klimagipfel erwartet. «Die Erwartungen an die Rede von Frau Merkel sind hoch», sagte Grünen-Chefin Simone Peter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Mittwoch). Von Industrieländern müssten angesichts weltweit steigender CO2-Emissionen Signale für einen ambitionierten Klimaschutz ausgehen - «nicht länger mit schönen Worten, sondern endlich auch faktisch», forderte Peter.
dpa
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