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21.09.2010 | 12:14 | Datenschutz 

Schonfrist für Google Street View & Co.

Berlin - Google und andere Anbieter von Geo-Datendiensten kommen vorläufig ohne neue gesetzliche Einschränkungen davon.

Google-Street-View
Google-Street-View (c) google
Die Bundesregierung räumte der Wirtschaft eine Frist von zehn Wochen ein, um eine Selbstverpflichtung zum Datenschutz vorzulegen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sprachen am Montag allerdings auch von einer «roten Linie», die von den Anbietern nicht überschritten dürfe. Doch wo diese «rote Linie» exakt verlaufen soll, muss erst noch zwischen den Ministerien geklärt werden.

Kern des Vorschlags der Bundesregierung ist ein «Datenschutz- Codex», den sich die Branche bis zum 7. Dezember selbst auferlegen soll. Dieser könne eine weitere Regelung überflüssig machen, sagte de Maizière. Wenn der Vorschlag der Wirtschaft nicht weit genug gehe, werde man das Thema aber gesetzlich regeln, warnte er. Seine Kabinettskollegin Ilse Aigner schlug in die gleiche Kerbe: «Je umfassender und verlässlicher die Selbstregulierung wird, desto weniger muss der Staat eingreifen.» Bis zum 7. Dezember seien aber noch viele Dinge zu klären.

Microsoft-Deutschland-Chef Ralph Haupter begrüßte nach der Runde, dass das Modell der «regulierten Selbstregulierung» Maßstab für den künftigen Umgang mit Geodaten-Diensten sein solle. «Die Industrie kann in einem gesicherten gesetzlichen Rahmen ihre Kompetenz einbringen, der in einem verbindlichen Codex endet. So bleibt die Innovationskraft der Internet-Industrie gewahrt und die wichtigen Anliegen um Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet.» Wie Microsoft bot auch Google an, konstruktiv an der Formulierung der Selbstverpflichtung zu arbeiten.

Das Bundeskabinett will mit dem Vorschlag für einen «Datenschutz- Codex» die Debatte vom Streit um einzelne Dienste loslösen. Vor allem der US-Internetgigant Google hatte mit seiner digitalen Straßenansicht «Street View» für große Schlagzeilen gesorgt. Doch der Konzern aus Kalifornien ist beileibe nicht der einzige Anbieter, der mit einem digitalen Abbild der Welt und der Werbung in dieser virtuellen Welt Geld verdienen will.

Weitgehend unbemerkt sind beispielsweise die deutschen Dienste «Sightwalk» und «Bilderbuch Köln» ins Netz gegangen. Und der Software-Riese Microsoft lichtet für seinen Dienst «Bird's Eye» Straßenzüge aus Kleinflugzeugen ab, ohne dass Datenschützer protestieren.

Auch der Staat fotografiert eifrig: So lassen einige Kommunen Solarkataster erstellen, aus denen hervorgeht, ob Hausdächer sich für Solaranlagen eignen. Die Daten vermarkten die Gemeinden an Banken und Handwerksbetriebe. «Wir brauchen Geo-Dienste für die Verkehrslenkung, für den Katastrophen- und Umweltschutz, für die moderne Landwirtschaft, die Wohnungssuche oder die Vorbereitung eines Urlaubs», begründete der Innenminister sein «Nein» zu einem generellen Verbot der Geo-Datendienste.

In dem Berliner Spitzengespräch zu den «Chancen und Grenzen von öffentlichen und privaten Geo-Datendiensten» sprachen sich jedoch die Datenschutzbeauftragten dafür aus, die Branche möglichst rasch in gesetzliche Schranken zu verweisen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte im rbb-Inforadio, die vom Innenminister erwähnten «roten Linien» gehörten «auf jeden Fall ins Gesetz». Es dürfe keine unkontrollierte Zusammenführung von Daten geben. Außerdem müssten «so etwas wie Bewegungsprofile und heimliche Ortung generell unterbunden werden». «Das muss im Gesetz geregelt werden», meinte Schaar.

Eine einfache Lösung zeichnet sich allerdings nicht ab. Die Schwierigkeit besteht darin, die verschiedenen Rechte abzuwägen: einerseits das Persönlichkeitsrecht der Bürger, das ihnen die Hoheit über ihre persönlichen Informationen zusichert; andererseits die im Grundgesetz verbriefte Freiheit, Informationen zu verbreiten.

Der schwarz-gelben Koalition rücken besorgte Bürger auf die Pelle, die von Geo-Datendiensten wie Street View Angst haben. Auf der anderen Seite will die Bundesregierung nicht einer ganzen Branche das Wasser abgraben und zum Gespött einer «Generation Online» werden.

Der von der Regierung nun gewählte Weg einer Selbstverpflichtung der Branche führt nach Ansicht der Opposition in die falsche Richtung. Eine «derart lässige Haltung» schütze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht, kritisiert die Linke. Die Partei fordert «eine klare gesetzliche Regelung», die Bürger ein Recht auf Widerspruch gegen die Verwendung und Weitergabe persönlicher sowie personenbeziehbarer Daten einräumt. Auch die Grünen sehen die Bundesregierung in der Pflicht, einen «grundlegenden Rechtsrahmen für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bei Geo-Datendiensten» vorzulegen. (dpa)
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