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21.02.2018 | 08:43 | Bürokratieabbau 

Zahl der Gesetze gesunken - mehr Praxisnähe gefordert

München - In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl der Gesetze in Bayern um zehn Prozent zurückgegangen.

Dokumentationspflicht
Ob in der Pflege, der Gastronomie oder im Ehrenamt - immer wieder gibt es Beschwerden über zu viele Vorschriften. Dabei ist die Zahl der Gesetze seit Jahren rückläufig. Bayerns Bürokratie-Beauftragter fordert unterdessen mehr Praxisnähe von der Staatsregierung. (c) proplanta
«Von 2013 bis 2017 haben wir die Zahl der Stammnormen von 882 auf 795 gesenkt», sagte Staatskanzleiminister Marcel Huber (CSU) am Dienstag in München. Bayern sei bundesweit das Bundesland mit den wenigsten Gesetzen.

Die Zahlen zeigten, dass der von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zu Beginn der Legislaturperiode angekündigte Bürokratieabbau durch die sogenannte Paragrafenbremse erfolgreich umgesetzt worden sei, sagte Huber. 2013 hatte die Staatsregierung festgelegt, dass nicht zwingend notwendige Gesetze abgeschafft werden.

Im Kampf gegen eine zu große Regelwut sei neben der Paragrafenbremse auch die Benennung des Beauftragten der Staatsregierung für Bürokratieabbau ein wichtiger Faktor. Seit einem Jahr hat Walter Nussel (CSU) den Posten inne: Um weiter voranzukommen, müssen aus seiner Ansicht mehr Praxis-Checks etabliert werden. Seine Erkenntnis: «Wir müssen die Themen viel mehr aus der Praxis beleuchten und nicht nur vom Schreibtisch aus. Dazu fordere ich alle Ministerien auf», sagte Nussel der Deutschen Presse-Agentur.

«Wenn neue Richtlinien oder Merkblätter erstellt werden, möchte ich eine Pilotphase einführen», betonte Nussel. Als Beispiel nannte er die Dokumentationspflichten in Pflegeheimen. «Das muss erst an ein oder zwei Fallbeispielen durchgespielt werden, bevor wir es in Vollzug bringen.» Nussel gab am Dienstag einen Zwischenbericht im Kabinett zu seinem ersten Tätigkeitsjahr ab.

Anfangs hätten er und sein Team eine Anfrage pro Tag bekommen. Inzwischen seien es jeden Tag mehrere Beschwerden oder Anregungen - von Privatleuten, Verbänden oder Abgeordneten. «Das Thema zieht sich quer durch alle Felder. Es gibt keinen Lebensbereich, der gefühlt nicht von zu viel Bürokratie betroffen ist», sagte Nussel. Dabei hat die Staatsregierung nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2003 bereits gar fast 50 Prozent aller bayerischen Gesetze und Verordnungen gestrichen und eine sogenannte Paragrafenbremse eingeführt.

Nussel warnte zugleich vor dem Irrglauben, kriminelle Energie durch immer mehr Gesetze verhindern zu können. Auch hier führte er als Beispiel die Pflegeheime an: Von den 3.200 Einrichtungen in Bayern seien immer dieselben 30 bis 40 auffällig. «Das ist nicht mal ein Prozent. Wenn wir immer noch mehr Dokumentationen verlangen, bestrafen wir die 99 Prozent, die ordentlich arbeiten.» Stattdessen müsse man denen «mehr auf die Finger schauen», die immer wieder negativ auffallen. «Hier muss vermehrt kontrolliert werden.»

Übergroße Regelwut behindere auch andere Ziele. Politisch gewollt sei etwa, dass sich Familien ein Eigenheim bauen. «Doch der Bodenaushub für ein Einfamilienhaus hat früher im Durchschnitt in Bayern 8.000 Euro gekostet. Durch die Verschärfung der Merkblätter liegen wir jetzt bei 30.000 und 40.000 Euro.»

Kaum ein Normalverdiener könne sich einen Hausbau leisten, wenn er einen «ganzen Jahreslohn allein für den Bodenaushub hinlegen muss». Durch kriminelle Machenschaften habe es hier in den vergangenen zehn Jahren nur dreimal Probleme gegeben. «Alle anderen haben ordentlich gearbeitet.»

Dass weniger Bürokratie auch viel Geld sparen könne, zeige ein Beispiel aus dem Straßenbau: Laut einem Merkblatt durfte abgefräster kalter Teer von Autobahnen nicht in der Nähe gelagert werden. Die Behörden befürchteten, dass Giftstoffe ausgespült werden. «Das ist aber nicht so», sagte Nussel. Er habe nun erreicht, dass dieser Straßenaufbruch wieder in der Nähe der Baustelle gelagert werden könne. «Allein in Bayern sparen wir dadurch sechs Millionen Euro jährlich und bundesweit 30 Millionen.» Zudem werde weniger CO2 und Feinstaub produziert, weil lange Transporte wegfielen.

Auch das Ehrenamt und die Gastronomie würden durch Vorschriften erstickt. «Wir sprechen etwa über das Wirtshaussterben und wollen Gasthäuser im ländlichen Bereich erhalten und machen gleichzeitig so viele Auflagen, dass die Wirte gar nicht mehr atmen können - und da habe ich den Brandschutz noch gar nicht angesprochen», sagte Nussel.
dpa/lby
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