Geschäfte, die auf Erdöl und Erdgas bauen, können zur Belastung in der Bilanz werden. Zugleich braucht es Milliarden, um die Wirtschaft grüner zu machen. Wie gut sind die großen Geldhäuser im Euroraum gegen finanzielle und wirtschaftliche Schocks aus Klimarisiken gewappnet? Antworten auf diese Frage soll der erste Klimastresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) liefern, dessen Ergebnisse an diesem Freitag (8.7.) erwartet werden.
Worin bestand die Prüfung?Der Klimastresstest bestand aus drei Teilen: a) einem Fragebogen zu den Fähigkeiten der Banken, Klimastresstests durchzuführen, b) einem Abgleich mit Wettbewerbern, um die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen und das Engagement der Geldhäuser in Unternehmen zu untersuchen, die viel klimaschädliches
Kohlendioxid (CO2) verursachen und c) einem Stresstest mit der Berechnung verschiedener Szenarien.
Welche Risiken haben die Aufseher im Blick?Sie haben zwei Arten von Risiken betrachtet: Einerseits physische Risiken wie Schäden an Gebäuden infolge einer Überschwemmung. Gehört die Immobilie der Bank selbst, schlagen die Reparaturkosten zu Buche, finanziert die Bank einen Kunden, könnte die Sicherheit an Wert verlieren. Andererseits geht es um Risiken, die mit dem Umbau der Wirtschaft verbunden sind, sogenannte transitorische Risiken oder Übergangsrisiken: Der Anpassungsprozess hin zu einer kohlenstoffärmeren und ökologisch nachhaltigeren Wirtschaft kann direkt oder indirekt zu Einbußen für Unternehmen und damit zu höheren Risiken bei Banken führen. Hier spielen auch Entscheidungen in der Klima- und
Umweltpolitik eine Rolle, die nicht immer absehbar sind.
Der Test modelliert als physisches Risiko, dass Europa für ein Jahr, beginnend am 1. Januar 2022, von extremer Hitze oder schweren
Überschwemmungen getroffen würde. Als kurzfristiges transitorisches Risiko wird ein plötzlicher Anstieg des CO2-Preises in den Jahren 2022 bis 2024 um etwa 100 Dollar je Tonne angenommen.
Wie sahen die langfristigen Szenarien im eigentlichen Stresstest aus?Im Einzelnen wurden drei langfristige Szenarien betrachtet, jedes über einen Zeitraum von heute bis 2050:
- Das erste Szenario («orderly») geht davon aus, dass klimapolitische Maßnahmen frühzeitig eingeführt und schrittweise umgesetzt werden. Damit würde die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt. 2050 würde in diesem Szenario das Ziel der Klimaneutralität erreicht, sprich klimaschädliche Gase wie
CO2 würden dann vermieden oder gespeichert werden («Netto-Null-Ziel»).
Die Europäische Union zum Beispiel hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein, Deutschland will das schon bis 2045 schaffen. Ein sanfter Übergang, wie er in diesem Stresstestszenario angenommen wird, würde die Kosten der Energiewende minimieren. Zugleich würde die Begrenzung der
Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius die Gefahr von Naturkatastrophen verringern und somit den Anstieg physischer Risiken für Banken mindern.
- Das zweite Szenario («disorderly») geht von einem ungeordneten Übergang aus, bei dem der CO2-Ausstoß bis 2030 nicht schnell genug sinkt, weil Maßnahmen zu spät ergriffen werden. In den Folgejahren müsste die Politik dann umso stärker eingreifen, um
Klimaziele noch erreichen zu können. So müsste beispielsweise der CO2-Preis rascher steigen. Damit wären die Übergangsrisiken höher. Zudem wären weitere Jahre vergangen, in denen die Erderwärmung nicht effizient begrenzt wurde, so dass extreme Wetterereignisse und damit Schäden zunehmen könnten.
- Das dritte Szenario («hot house world») unterstellt, dass die politischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Erderwärmung maßgeblich zu begrenzen. Kritische Temperaturschwellen werden überschritten, eine Zunahme von Naturkatastrophen führt zu enormen Kosten für die Volkswirtschaften. Entwickelt wurden diese Szenarien vom «Network for
Greening the Financial System» (NGFS), einem
Zusammenschluss von Notenbanken und Aufsichtsbehörden. Teilweise hat die EZB die Szenarien für ihren Klimastresstest etwas abgewandelt.
Welche Daten liefern die Banken?Aus den genannten Szenarien wurden den Banken bestimmte Parameter überspielt, etwa zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der Inflation und der Zinsen. Darauf aufbauend wurde berechnet, welche Auswirkungen sich auf die Firmenkunden ergäben, aber auch inwiefern das Immobilienportfolio der Geldhäuser betroffen wäre.
Ausgangsbasis: die Bilanz zum 31. Dezember 2021. Die Banken mussten dann jeweils in Zehn-Jahres-Intervallen (2030, 2040, 2050) projizieren, wie sich ihre Hypotheken sowie ihre Unternehmenskredite unter diesen Annahmen entwickeln würden. Banker kritisierten, der Zeitraum von 30 Jahren sei zu lang für solche Modellrechnungen. Zumindest konnten die Institute auch Managemententscheidungen berücksichtigten: etwa die Trennung von Kunden aus CO2-intensiven Branchen.
Wie viele Institute haben teilgenommen?Die EZB überwacht seit November 2014 die größten Banken im Euroraum direkt. Derzeit sind dies 111 Institute, die für fast 82 Prozent des Bankenmarktes im Währungsraum der 19 Länder stehen. Dazu gehören aus Deutschland unter anderem: Deutsche Bank und Commerzbank, das genossenschaftliche Spitzeninstitut DZ Bank, das Sparkassen-Wertpapierhaus Dekabank, der Immobilienfinanzierer Aareal Bank, die Hamburger Sparkasse (Haspa) als Deutschlands größte Sparkasse sowie die Landesbanken BayernLB, LBBW und Helaba.
Werden die Ergebnisse Folgen für die Institute haben?«Es geht bei diesem Stresstest nicht darum, ihn zu bestehen oder nicht, und der Test hat auch keine direkten Auswirkungen auf die Kapitalausstattung der Banken», teilte die EZB-Bankenaufsicht bei der Ankündigung des Klimastresstests Ende Januar 2022 mit.
Es gehe darum, Schwachstellen und Herausforderungen zu identifizieren. Die Ergebnisse werden aber laut den Aufsehern «aus qualitativer Sicht» in den sogenannten SREP-Prozess («Supervisory Review and Evaluation Process») einfließen, in dem die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen und die Angemessenheit des Risikomanagements bewertet werden.