Die
Futteraufnahme der Wiederkäuer soll so besser und kontinuierlicher werden, erklärt der Landwirt, dessen
Milchviehbetrieb im nordhessischen Mörshausen (Schwalm-Eder-Kreis) die erste deutsche Klima-Milchfarm ist.
Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern
Nestlé hat die Farm gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und der Molkerei Hochwald ins Leben gerufen. Das Unternehmen will laut Nestlé-Deutschlandchef Marc Boersch bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Der Konzern wolle einen Beitrag zum
Klimaschutz leisten, betont Boersch. Nestlé steht seit Jahren in der Kritik.
Viele werfen dem Unternehmen vor, mit seinen Produkten Profit auf Kosten der Ärmsten zu machen. Er steht aber auch am Pranger wegen der
Rodung des Regenwalds, der Ausbeutung von Wasserressourcen und zuletzt wegen Geschäften mit Russland während des Ukraine-Kriegs.
Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, schraubt Nestlé nicht nur an den eigenen Prozessen, sondern hat auch den vor- und nachgelagerten Bereich genauer analysiert. Das Ergebnis: Rund 80 Prozent des CO2-Ausstoßes stammen aus den Rohstoffen, die Nestlé bezieht. Davon seien 40 Prozent allein auf die
Milchviehhaltung zurückzuführen, erläutert Boersch.
Nestlé will daher in 45 Farmen weltweit erforschen, wie man Milch umweltfreundlicher herstellen kann. Auf 20 der Farmen läuft das Pilotprojekt bereits. Der Hof Frese mit seinen 135 Kühen soll als Deutschlands erste Klima-Milchfarm Schule machen. Er sei besonders gut geeignet, weil er als durchschnittlicher konventioneller Milchvieh-Betrieb repräsentativ sei, sagt Helmut Stuck, Leiter der Erzeugerberatung bei Hochwald. Die Molkerei verarbeitet die Milch ihres Genossenschaftsmitglieds Frese weiter.
Freses Kühe werden in einem offenen Stall gehalten. Für die Grünlandhaltung fehle es dem Hof an Weidefläche, sagt der Landwirt. 1,2 Millionen Liter Milch, die vor allem als Mozzarella auf Wagner-Pizzen von Nestlé landet, produziert der
Betrieb jährlich. Dabei entstehen pro Jahr 1.359 Tonnen CO2-Äquivalent (CO2e).
«Das entspricht dem Ausstoß von insgesamt 120 Menschen in einem Jahr», erklärt Andreas Durst, Projektmanager der HfWU. Den größten Anteil davon machen Durst zufolge die
Treibhausgase aus, die im Kuhmagen entstehen, gefolgt vom
Ackerbau und Futtermitteln. Erklärtes Ziel ist, den CO2-Fußabdruck des Hofes innerhalb von drei Jahren rechnerisch auf netto null Emission zu bringen.
Dazu sollen laut Corinna Weinmiller, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Nestlé Deutschland, die Treibhausgase in sechs Bereichen so weit wie möglich reduziert werden. Hierzu zählen neben der
Ernährung der Kühe der Futteranbau, die Tierhaltung, der Ackerbau, das Güllemanagement und die Energieerzeugung. Der verbleibende CO2-Ausstoß soll durch natürliche Kohlenstoffspeicher auf Feld und Acker ausgeglichen werden. Nestlé finanziert das dreijährige Projekt nach eigenen Angaben mit einem hohen sechsstelligen Betrag.
Eine zentrale Rolle kommt dem Futter zu. Je besser die Kühe es verdauen und verwerten können, desto mehr Milch geben sie. So sinken laut Stephan Schneider, Professor für
Tierernährung an der HfWU, die Emissionen pro Kilo Milch. Helfen soll dabei unter anderem ein Futteranalyseplan. Der Anschieberoboter sorgt für den kontinuierlichen Zugang zu Futter. Entscheidend ist laut Schneider auch der Bezug. «Das Futter der Kühe ist größtenteils aus Eigenanbau. Zusätzlich setzen wir Kraftfutter mit geringem CO2-Fußabdruck ein.»
Auch
Gülle und Energie des Hofes stehen auf dem Prüfstand. Güllezusätze sollen Ammoniak-, Methan- und Geruchsemissionen senken. Gedüngt wird möglichst mit Gülle und Mist. So wird laut Markus Frank, Professor für Pflanzengesundheitsmanagement an der HfWU, der Einsatz von energieintensivem
Mineraldünger reduziert.
Außerdem werden die Teilflächen mithilfe digitaler Technik je nach Bedarf gedüngt. «So sparen wir durchschnittlich zwischen zehn und 15 Prozent Düngemittel ein.» Um verbleibende Emissionen des Hofes zu binden, sollen zudem unter anderem Hecken gepflanzt und
Blühstreifen angelegt werden, die CO2 speichern.
Der Hessische
Bauernverband begrüßt Projekte wie die Klima-Milchfarm. «Die Landwirte sind vor allem Betroffene des Klimawandels. Es ist daher unser ganz ureigenes Interesse, das Klima zu schützen», sagt Referent Sebastian Schneider. Emissionen ließen sich etwa mit der
Züchtung von Rindern mit niedrigerem Ausstoß von Methan reduzieren. Auch die gasdichtere Lagerung von Gülle könne einen Beitrag leisten.
Eine Landwirtschaft ganz ohne
Treibhausgasemissionen sei allerdings nicht möglich. Denn sie entstünden vorrangig bei natürlichen Prozessen im Boden, bei der Verdauung in der Tierhaltung und der Lagerung von Mist und Gülle, gibt Schneider zu bedenken.
Ähnlich sieht das Katrin Wenz vom Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND). «Milch kann nicht klimaneutral sein», sagt die Agrarreferentin. Bei entsprechenden Projekten überwiege bei ihr die Skepsis.
«Man kann sich das schön rechnen, aber das ist aus meiner Sicht Greenwashing.» Die Milch werde dadurch nicht zu einem besseren Produkt. Sie könne letztlich nur durch die extensive Grünlandhaltung der Kühe ökologisch sinnvoll produziert werden, bei der
CO2 wieder im Boden gebunden und die
Biodiversität im artenreichen Grünland geschützt würden.