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07.11.2022 | 00:05 | Energiekrise 

Kleinere Betriebe befürchten Entlastungslücke bei Gas und Strom

Berlin - Die von Bund und Ländern vergangene Woche vereinbarten Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen von den hohen Energiekosten reichen nach Einschätzung von Verbänden des Agrar- und Ernährungssektors nicht aus.

Energiekrise
Agrarverbände warnen vor einer Ungleichbehandlung von industriellen Großverbrauchern sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen - Holzenkamp: Die Bremse muss gleich stark für alle zum 1. Januar 2023 gedrückt werden - Fleischer beklagt nur vages Ansprechen der beihilferechtlichen Frage - Härtefallregelung vorgesehen. (c) Eisenhans - fotolia.com
Befürchtet wird eine erhebliche Entlastungslücke für kleinere und mittlere energieintensive Unternehmen. So sind für den Zentralverband Gartenbau (ZVG) auch noch zu viele Punkte offen.

Die beihilferechtliche Frage werde nur vage angesprochen, und es sei noch nicht sicher, in welchen Bereich der Förderung die Gartenbaubetriebe fallen und ob wirklich alle gartenbaulichen Unternehmen von den Energiepreisbremsen profitieren könnten, stellte ZVG-Generalsekretär Bertram Fleischer kritisch fest. „Keinesfalls darf es zu einer Ungleichbehandlung der landwirtschaftlichen Gartenbaubetriebe im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft kommen“, warnte Fleischer am vergangenen Donnerstag (3.11.) in Berlin.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sieht dies ebenso. Er forderte, dass auch für Februar und Januar auf die Abschlagzahlungen für Gaskunden verzichtet werden müsse, um die Winterlücke für die Betriebe zu schließen.

Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp hatte schon am vergangenen Montag nach Vorlage des Endberichts durch die Gaskommission die ungleichen Höhen und unterschiedlichen Zeitpunkte der Entlastungen für industrielle Großverbraucher auf der einen sowie für kleine und mittelständische Unternehmen auf der anderen Seite scharf kritisiert.

„Die Bremse muss gleich stark für alle zum 1. Januar 2023 gedrückt werden“, denn, so Holzenkamp, „wer zögert und halbherzig bremst, fährt gegen die Wand und riskiert einen Totalschaden“. Die Existenz der Betriebe stehe auf dem Spiel.

Grundkontingente



Konkret sieht die Gas- beziehungsweise Wärmepreisbremse, auf die sich Bund und Länder am vergangenen Mittwoch einigten, für private Haushalte und kleinere Unternehmen ein Grundkontingent für 12 Cent/kWh für 80 % des Verbrauchs vor, wobei die Abschlagszahlung aus dem September 2022 zugrundegelegt wird.

Bei der Fernwärme soll der Deckel bei 9,5 Cent/kWh liegen. Oberhalb dieser Verbrauchsmenge soll jeweils der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis gelten. Die Bremse beim Gaspreis soll zum 1. März 2023 eingeführt werden, mit einer Rückwirkung ab dem 1. Februar. Von den hohen Strompreisen will die Bundesregierung die Verbraucher mit einer Preisbremse ab dem 1. Januar 2023 entlasten. Dies soll ebenfalls für 80 % des bisherigen Verbrauchs gelten, wobei der Deckel bei 40 Cent/kWh brutto liegen soll.

Beide Entlastungsregelungen sollen bis April 2024 laufen. Für Industrieunternehmen will der Bund dabei die Gaspreise für ein Grundkontingent von 70 % des historischen Verbrauchs auf 7 Cent/kWh netto reduzieren. Beim Stromverbrauch soll der Preis für diese Firmen auf 13 Cent/kWh gedeckelt werden, und zwar ebenfalls für 70 %. Zudem sollen die Netzentgelte im kommenden Jahr nicht steigen. Für Privathaushalte und Unternehmen, deren Verbrauch unter 1,5 Mio kWh pro Jahr liegt, will der Bund die im Dezember fälligen Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme übernehmen.

Keine Heizungen erster und zweiter Klasse



Für Betriebe, bei denen die Strom- und Gaspreisbremse nicht ausreichen beziehungsweise nicht greifen, soll es eine Härtefallregelung geben. Dafür sollen insgesamt 12 Mrd Euro bereitgestellt werden, allerdings 8 Mrd Euro davon allein für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Dies betrifft auch die Nutzer von Heizöl und Holzpellets.

Bereits Mitte Oktober hatte Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder auch Entlastungen für Menschen angemahnt, die mit Öl, Holz oder Pellets heizten. „Wir dürfen in Deutschland keine Heizungen erster und zweiter Klasse bekommen“, so der CSU-Vorsitzende damals.

Solide Gesetzesarbeit gefragt



Holzenkamp mahnte die Bundesregierung zur Eile. Diese müsse jetzt die dringend benötigten Entlastungen ohne weitere Verzögerungen auf den Weg bringen. Dem Raiffeisenpräsidenten zufolge ist dabei eine solide Gesetzesarbeit gefragt. So müsse die Bundesregierung unbedingt für eine rechtssichere Umsetzung sorgen.

„Ohne Verlässlichkeit gibt es für die Unternehmen keine Planungssicherheit“, warnte Holzenkamp. Fleischer verwies zudem auf die Vorschläge zur Mitfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen über die „Zufallsgewinne“ von Unternehmen auf dem Strommarkt. Die geplante Abschöpfung betreffe auch die Produzenten von Bioenergie oder anderen erneuerbaren Energien.

Gerade die gärtnerischen Betriebe, die auf alternative Energiequellen gesetzt hätten, befürchteten negative Auswirkungen. Es müssten Ausnahmeregelungen von der Abschöpfung für erneuerbare Energien getroffen werden, forderte der ZVG-Generalsekretär.

Die Politik müsse möglichst schnell die aufgezeigten Lücken klären und schließen. Dazu zähle auch die angekündigte Härtefallregelung für alle Bereiche, in denen trotz der Strom- und Gaspreisbremse finanzielle Belastungen bestünden, die von den Betroffenen nicht ausgeglichen werden könnten.
AgE
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