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15.09.2009 | 19:11 | Milchpolitik  

Milchmarkt: Österreich weiterhin um Lösung auf EU-Ebene bemüht

Wien/Brüssel - Österreich bemüht sich weiterhin, angesichts der Milchmarktkrise eine Lösung auf europäischer Ebene zu erreichen.

Milchflaschen
(c) proplanta
Wie vonseiten des Landwirtschaftsministeriums berichtet wird, hat die österreichische Delegation beim Informellen Agrarministerrat im schwedischen Växjö erneut bei Gesprächen mit Vertretern der EU-Kommission zusätzliche Maßnahmen verlangt. Insbesondere wurde Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel mit Nachdruck aufgefordert, die von Österreich gemeinsam mit 15 weiteren Mitgliedsländern beim jüngsten Agrarrat eingebrachten Forderungen nochmals zu prüfen und vor allem über ein Aussetzen der EU-weiten Quotenerhöhung nachzudenken. Fischer Boel wollte in Växjö noch keine konkreten Zugeständnisse machen, versprach aber, sich mit ihren Experten zu beraten und in den nächsten Tagen Stellung zu beziehen.


Köstinger macht Milchkrise im EU-Parlament zum Thema

Österreichs Bauernvertreterin im EU-Parlament, Elisabeth Köstinger, brachte die europäische Milchkrise gleich zu Beginn der ersten Straßburger Plenarsitzung auf die Tagesordnung: "Mit Erzeugerpreisen teilweise unter 21 Cent pro Liter müssen die Landwirte ihre Milch unter den Produktionskosten verkaufen", sagte Köstinger bei der Eröffnung der Plenarsitzung. Das Überleben vieler bäuerlicher Familienbetriebe in der EU sei ernsthaft gefährdet. "Viele können derzeit nur durch das Aufbrauchen persönlicher Ersparnisse überleben. Das ist nicht tragbar. Unsere Betriebe brauchen dringend Marktstützungsmaßnahmen. Hunderttausende Arbeitsplätze im ländlichen Raum hängen von einer funktionierenden Landwirtschaft ab. Es geht um eine europäische Versorgungssicherheit, nicht nur für die Konsumenten, auch für die Bauern und ihre Familien", so Köstinger.


Milchstreik stößt weiterhin auf Kritik

Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Gerhard Wlodkowski, übte heute am Rande einer Pressekonferenz erneut Kritik am europäischen beziehungsweise österreichischen Milchstreik. "Die offiziellen Bauernvertretungen in Frankreich, Deutschland und Österreich machen aus guten Gründen bei diesem Lieferboykott nicht mit, es beteiligen sich hauptsächlich Splittergruppen. Wir sind gegen diese Aktionen, weil sie erstens nicht zielführend sind, weil sie zweitens das Milchgeld der Bauern weiter verringern, weil drittens die Verarbeiter bei größeren Lieferausfällen geschädigt werden und weil Lösungen für die aktuelle Problematik nur auf EU-Ebene möglich sind", so der Präsident.

Er verwehrte sich ausdrücklich gegen die Kritik der IG Milch, die heimische Bauernvertretung sei nicht bemüht, die Situation der Milchbauern zu verbessern. "Wir können keine Erzeugerpreise festsetzen, wir können nur die politischen Rahmenbedingungen beeinflussen, und das tun wir, soweit es irgendwie möglich ist", sagte Wlodkowski. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das teilweise Vorziehen der Prämienauszahlung, die Milchkuhprämie und die Umsetzung der bisherigen - auch von Österreich nachdrücklich geforderten - Maßnahmen auf EU-Ebene (Fortsetzung der Intervention, Exporterstattungen).


Beteiligung am Lieferboykott hält sich in Grenzen

Derzeit hält sich die Beteiligung an den europäischen Lieferboykott Maßnahmen noch in Grenzen. Wie vonseiten der österreichischen Milchwirtschaft zu erfahren ist, kam es etwa in Frankreich bisher zu einer Verringerung der Anlieferung um 4 bis 5 %, in Deutschland ist die Menge um 1% geringer (punktuell um 10 %) und hierzulande liegt der Rückgang aufgrund des Boykotts unter 1 %.


Tirol: Milchausschuss der LK hat sich gegen Streikaufruf entschieden

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen hat Tirols LK-Präsident Josef Hechenberger gestern Abend eine kurzfristige Sitzung des Kammer-Milchausschusses einberufen. Eingehend wurde das Für und Wider eines landesweiten Streikaufrufs an alle Tiroler Milchbauern diskutiert und abgewogen. Die Mitglieder des Gremiums waren sich darüber einig, dass die Existenzsicherung der Bauern über allem zu stehen hat, ein Milchstreik jedoch nicht das gewünschte Ergebnis bringen würde. "Gerade in Zeiten, in denen jeder Euro zum Überleben gebraucht wird, führt ein Aussetzen der Lieferungen zu einer zusätzlich verschärften Existenzsituation. Die bereits angespannte Einkommenslage würde sich lediglich weiter verschlechtern. Darüber hinaus führt ein Lieferstreik zusätzlich zu einer Schwächung der verarbeitenden Betriebe. Der heimische Lebensmittelmarkt wäre offen für ausländische Billigware, das Konsumentenvertrauen erschüttert", so Hechenberger. Gefordert sei jedoch die EU-Kommission in Brüssel.

Auch die Dachorganisation Bio Austria stellte heute in einer Aussendung fest, das Wegschütten von Milch sei keine Lösung. "Ein rasch sichtbares Zeichen zur Entspannung der Lage wäre ein Anheben der Ladenpreise im Handel, das in weiterer Folge eine Verbesserung des bäuerlichen Milchpreises gewährleistet", so Obmann Rudi Vierbauch.


Mikinovic: Zivilisatorische Bankrotterklärung

Der Geschäftsführer der AMA Marketing, Stephan Mikinovic, verwies heute auf den enormen Wert der Milch - dem wichtigsten Lebensmittel überhaupt. "Wenn es jetzt in Österreich, dem siebentreichsten Land der Welt und im drittreichsten Land Europas ein Problem ist, dass die Konsumentenpreise um ein paar Cent angehoben werden, dann ist das eine zivilisatorische Bankrotterklärung", stellte Mikinovic fest. Manche Konsumenten würden pro Monat wesentlich mehr für einen Handy-Klingelton ausgeben als sie für eine Anhebung der Milchpreise auf ein faires Niveau zu zahlen hätten, wies der Geschäftsführer auf die "verschobenen Proportionen" hin. Die AMA werde jedenfalls auch im Zuge ihrer Gütesiegel-Kampagne auf den Mehrwert der heimischen Milcherzeugung hinweisen. (ots)
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