Learning by doing: Oettingers Karriere als EU-Kommissar
Die Anfänge für Günther Oettinger als EU-Energiekommissar waren nicht leicht. Zunächst hieß es, CDU-Chefin Angela Merkel habe 2010 den damaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg nach Brüssel geschickt, um einen weiteren Konkurrenten auf Abstand zu halten. Allerdings hatte Oettinger, der 14 Jahre an der CDU-Fraktionsspitze im Ländle und seit 2005 Regierungschef war, zuvor ein dürftiges Bundestagswahlergebnis eingefahren. Und er hatte den einstigen NS-Marinerichter, Ex-Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU), in einer Trauerrede zum Nazigegner erklärt.
Als ausgewiesener Energiepolitiker galt er 2010 jedenfalls nicht. In Brüssel fiel er dann zunächst durch eigenwilliges Englisch auf («In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one boat»).
Inzwischen hat sich der 60-Jährige auf EU-Ebene Respekt erworben, quasi learning by doing, vor allem in den vergangenen Monaten durch seine Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine im Streit um die Gaslieferungen. Seine Energiepolitik richtet er zwar in Teilen daran aus,
Klimaschutz und erneuerbare Energien zu fördern - oberstes Gebot bleibt aber, der Industrie nicht zu schaden.
Die Grünen im EU-Parlament nennen ihn deshalb einen «Anti-Modernisierer». Dabei galt er in seiner Zeit in Baden-Württemberg als Schwarz-Grüner.
Oettinger dürfte aufgrund seiner vielen und stets gepflegten Kontakte nicht nur in sein Heimat-Bundesland kaum Schwierigkeiten haben, in die Wirtschaft zu wechseln, womit so mancher nach der Europawahl gerechnet hatte. Doch er hat Gefallen an der EU-Politik gefunden und Merkel und der
CDU mit seiner Arbeit Argumente geliefert, gegen den Widerstand des Koalitionspartners
SPD an ihm festzuhalten.
Die Entscheidung für Oettinger kam daher nicht so überraschend wie 2010. Aber sicher war sie angesichts des EU-Postengeschachers zwischen Union und SPD auch nicht. Am Montag nominierte ihn das CDU-Präsidium einstimmig. Für welchen Posten in der Kommission, ist noch offen. (dpa)