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09.07.2012 | 16:13 | Energiepolitik 

Finanzierungslücke bei der Energiewende

Berlin - Die Regierung muss bei der Finanzierung von Energiewende-Projekte mit vier Milliarden Euro weniger auskommen als geplant. Sie hatte auf Einnahmen aus dem CO2-Verschmutzungsrechte-Handel gesetzt - aber der liegt am Boden. Womöglich bahnt sich nun eine Lösung an.

Geld
(c) proplanta
Mit den Atomkonzernen konnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einfach besser planen. Per Vertrag wurde im Jahr 2010 geregelt, dass sie Milliardenzahlungen zu leisten haben, als Preis für längere Laufzeiten der Kernkraftwerke. Bis zu 2,6 Milliarden Euro sollten pro Jahr an den Bund fließen, unter anderem zum Ausbau erneuerbarer Energien. Dann kam Fukushima, der Vertrag wurde null und nichtig und die große Energiewende wurde beschleunigt. Nur: Woher sollten die Milliarden dafür kommen? Die gefundene Lösung zeigt nun ihre ganze Tücke.

Der Ausbau der Elektromobilität, die Speicherforschung und jährlich 1,5 Milliarden Euro für zinsgünstige Kredite, damit mehr Deutsche als bisher ihre Häuser dämmen und so Energie einsparen, erfordern langfristige Finanzierungssicherheit.

Nach langem Hin und Her gab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) grünes Licht, dass die Einnahmen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten komplett in Projekte der Energiewende fließen. Mit den Zertifikaten wird der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid reguliert - wer CO2 produziert, muss für Emissionsrechte zahlen. Ein Energie- und Klimafonds wurde gegründet.

Für 2012 wurden 780 Millionen Euro Einnahmen eingeplant. Inzwischen müssen auch Fluggesellschaften bezahlen, ab 2013 wird der Handel zudem weiter verschärft. Daher wurden für die Zeit ab 2013 Einnahmen von 3,3 Milliarden Euro pro Jahr eingeplant.

Doch der Handel mit den Emissionsrechten liegt am Boden. Es wurden zu viele «Persilscheine» zum CO2-Ausstoß gratis verteilt. So muss zum Beispiel der Betreiber eines Kohlekraftwerks weniger bezahlen, als eigentlich vorgesehen. Die Regierung hatte mit 17 Euro Abgabe je Tonne CO2 kalkuliert, derzeit fließen gerade mal 6,50 Euro.

Im gerade vom Bundeskabinett beschlossenen Finanzplan bis 2016 sind die Einnahme-Erwartungen aus dem Zertifikatehandel fast unbemerkt drastisch nach unten korrigiert worden: Statt mit bis zu 14 Milliarden Euro wird nun nur noch mit rund 10 Milliarden Einnahmen gerechnet. Die Regierung kalkuliert mit 10 bis 12 Euro je Tonne CO2.

«Daher muss es bei bestimmten Maßnahmen Anpassungen geben», sagt ein Sprecher Schäubles. Allerdings sollen die jährlich 1,5 Milliarden Euro für energetische Gebäudesanierungen weiter fließen. Aber je nach Entwicklung der Eurokrise könnte die Finanzierung wichtiger Projekte unter die Räder kommen. Schon in diesem Jahr wurde wochenlang erwogen, die Gebäudesanierungsmittel auf 900 Millionen zu kürzen. Die Planungssicherheit für die Bürger ist in Gefahr.

«Die Eurokrise ist das größte Problem für einen weiteren Verfall», sagt der Obmann der Unionsfraktion im Bundestags-Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU). Bricht die Wirtschaft ein, werden weniger CO2-Zertifikate gebraucht, der Preis fällt weiter. Göppel fordert einen Aufschlag für CO2-Zertifikate in Deutschland, um mehr Geld einzunehmen. Denn der günstige Preis verhindere auch Investitionen in CO2-freie Technologien und mache Kohlestrom wieder attraktiver.

Das Europaparlament dringt darauf, die Zahl der Zertifikate ab 2013 massiv zu verknappen, um so den Preis wieder hoch zu treiben. Es sollen weniger neue CO2-Ausstoßgenehmigungen versteigert werden als geplant. Die EU-Kommission will dazu in Kürze einen Reformvorschlag vorlegen. Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) betont, ohne Änderungen seien Herzstücke der Energiewende in Gefahr. Allerdings solle die energieintensive Industrie dabei nicht zusätzlich belastet werden, betont Liese.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kündigt bereits harten Widerstand an. Die Industrie will nicht für das Einnahmeloch in Haftung genommen werden. «Man darf jetzt nicht einfach blind an Symptomen herumdoktern und Zertifikate verknappen», sagt BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. Er fordert, den EU-Emissionshandel generell auf den Prüfstand zu stellen. (dpa)
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