In seiner am Mittwoch (15.6.) in Berlin vorgelegten vierten
Ernteschätzung beziffert der
DRV das bundesdeutsche Getreideaufkommen auf gut 43,2 Mio t, verglichen mit 42,9 Mio t Mitte Mai. Im April hatte der Verband allerdings noch 43,6 Mio t Getreide vorausgesagt.
Gemäß der jetzigen Schätzung würde das Vorjahresergebnis um 1,1 Mio t oder 2,5 % übertroffen. Dagegen haben sich die Aussichten für die deutsche Winterrapsernte offensichtlich weiter verschlechtert, wenn auch nur marginal: Der
Raiffeisenverband geht hier jetzt von etwas weniger als 3,8 Mio t aus, während im Mai noch mit gut 3,8 Mio t und im April mit 3,9 Mio t gerechnet worden war. 2021 waren allerdings nur knapp 3,5 Mio t der schwarzen Ölfrucht gedroschen worden.
Für die wichtigste Kultur, den Weizen, prognostiziert der DRV aktuell eine
Erntemenge von 22,65 Mio t; das sind 265.000 t mehr als im Mai erwartet worden waren. Zudem wären es fast 1,3 Mio t mehr als im Vorjahr eingebracht wurden. „Nach unserer Einschätzung kann die deutsche Getreidewirtschaft dem
Weltmarkt im kommenden Jahr mehr Brotweizen zur Verfügung stellen“, stellte DRV-Marktexperte Guido Seedler dazu fest.
Mehr Hafer in Sicht
Mit „Spannung“ erwartet der genossenschaftliche Getreidehandel laut dem Fachmann den Beginn der Ernte, mit dem in den Frühdruschgebieten bei der
Wintergerste in zehn bis vierzehn Tagen gerechnet wird. Für diese Kultur kalkuliert der Raiffeisenverband eine
Produktionsmenge von 8,6 Mio t. „Dies ist weniger als im Vorjahr und ist auf eine leicht gesunkene Anbaufläche zurückzuführen“, erklärte Seedler.
Im Vorjahr waren knapp 8,9 Mio t Wintergerste von den Feldern geholt worden. Gegenüber Mai deutlich nach oben gesetzt hat der Verband seine Schätzung für die Haferernte. Maßgeblich ist, dass der Anbau nicht so stark eingeschränkt worden ist, wie zunächst angenommen. Das Haferaufkommen wird jetzt auf 772.000 t veranschlagt, verglichen mit zuvor 697.000 t. Demnach würde die Druschmenge von 2021 um 49.000 t übertroffen.
Die Vorhersage der
Roggenernte beließ der Raiffeisenverband hingegen mit gut 3,1 Mio t praktisch unverändert, was im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang um rund 190.000 t bedeuten würde. Noch mit größerer Unsicherheit behaftet ist die Prognose für den Körnermais, von dem laut DRV nach jetzigem Stand knapp 4,2 Mio t eingebracht werden dürften; das wären 260.000 t weniger als 2021.
Garantien Russlands unglaubwürdig
Mit Blick auf die globale Versorgungslage stellte der Seedler fest, dass die Gefahr von Engpässen beim Getreide weiter zunehmen dürfte. Der DRV-Marktexperte mahnte deshalb eine Stärkung der alternativen Exportmöglichkeiten und -routen aus der Ukraine an. Dafür müssten Zollformalitäten und Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze abgebaut werden.
Garantien Russlands für sichere Transportrouten durch das Schwarze Meer halte der DRV für unglaubwürdig, so Seedler. Weiterhin müsse die Logistik auch innerhalb Europas angepasst werden, damit die Ware zu den Verarbeitern und Seehäfen gelangen könne. Hier müssten „dringend alle Reserven mobilisiert werden“, betonte der Fachmann.
Knapp versorgte Märkte seien auf eine schlagkräftige Logistik angewiesen, damit Mengen dorthin gelangten, wo sie gebraucht würden. Mit Sorge beobachtet der Verband laut Seedler auch die nationale Logistik. Zu befürchten sei, dass es in Deutschland durch fehlende Lkw und Fahrer zu Verzögerungen beim Transport der Ernte zu den verarbeitenden Betrieben und den Exporthäfen kommen werde. Für Erleichterungen würden die Aufhebung des Sonntagfahrverbots und die Einführung eines maximalen Lkw-Gewichts von 44 t sorgen.