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08.08.2011 | 09:01 | Medienstar des Sommerlochs 

Wilde Waldkuh weckt Erinnerung an Braunbär Bruno

Mühldorf - Der Sommer gehört der wilden Yvonne. Die Kuh aus Österreich weckt mit ihrem Freiheitsdrang viele Sympathien und wird so zum Medienstar des Sommerlochs.

Auge eines Rindviehs

Wie einst Braunbär Bruno entkommt sie immer wieder schlau ihren Verfolgern und tappt in keine Falle. Im oberbayerischen Landkreis Zangberg hat sie sich ein Versteck im Wald gesucht. Nun droht ihr indes dasselbe Schicksal wie dem sogenannten Problembären. Notfalls soll sie abgeschossen werden.

Tierretter des Gnadenhofs Aiderbichl versuchen fieberhaft, das Rind zu fangen. «Wir lassen auf keinen Fall zu, dass es endet wie bei Bruno», sagt der Salzburger Gutsverwalter von Aiderbichl, Hans Wintersteller. Er will Yvonne auf dem Gut in Deggendorf unterbringen.

Am Mittwoch soll nun ein flotter Stier namens Ernst die scheue Yvonne aus dem Wald locken. Er habe schwarze Locken und sei ein «ganz schöner», sagt Wintersteller. Auch bei Bruno war zeitweise die Idee aufgetaucht, ihm von einer attraktiven Bärin den Kopf verdrehen zu lassen und ihn so in die Falle locken. Doch man ließ den Gedanken fallen - Bruno war dafür noch zu jung.

Yvonne sollen jedoch weniger die Reize des Stiers als ihr Herdentrieb locken. Die Tierretter hatten deshalb schon Yvonnes Schwester Waltraud und Kälbchen Waldi gekauft und in ein Gehege im Wald gebracht. Aber Yvonne besuchte die beiden nur im Schutz Nacht. Während Waltraud und Waldi wegen des schlechten Wetters in den warmen Stall gebracht wurden, damit sie nicht krank werden, soll der wettergestählte Ernst bei Wind und Regen ausharren.

Zwar reißt Yvonne keine Schafe, wie es Bruno tat, sie klaut den Imkern keinen Honig und bleibt anders als der bedrohliche Bär allen Ortschaften fern. Dafür aber bringt sie den Straßenverkehr in Gefahr. Läuft sie vor ein Auto, ist ein schlimmer Unfall möglich. Als sie vor einigen Tagen ausgerechnet vor einen Polizeiwagen rannte, gab das Landratsamt Mühldorf sie zum Abschuss frei. «Ein Reh hat 30 oder 40 Kilo, die Kuh hat 700 Kilogramm», sagt Erich Kozel, Fachbereichsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung. «Deshalb können wir nicht zuschauen, bis sie auf die Straße läuft.»

Solange sie im Wald bleibt, hat sie jedoch Schonfrist. «Die Kuh steht gut da draußen. Wenn sie zur Ruhe kommt, soll man das Einfangen weiter probieren», sagt Kozel. Seit knapp zwei Wochen versucht Gut Aiderbichl mit immer neuen Mitteln, die Kuh zu fangen. Mal sollte ein Dackel sie aufstöbern, mal streiften Freiwillige durch den Wald, mal suchten Helfer mit Pferden, Jeep und Quad nach dem ausgebüxten Rind.

Yvonnes Schwester Waltraud und ein Kälbchen namens Waldi wurden eigens herangeschafft, um es anzulocken. Das hätte beinahe geklappt - doch wegen des schlechten Wetters mussten Waltraud und Waldi in den Stall. Sie sollen nicht krank werden.

Auch Yvonne soll sich erholen. Am Montag schufen ihr die Aiderbichler einen überdachten Lagerplatz mit trockenem Stroh. «Ich möchte, dass sie erst mal Vertrauen gewinnt», sagt Wintersteller. «Es ist einfach eine Gemütlichkeit für sie.» Eine Hoffnung ist, dass die Kuh doch noch in eine vor Tagen aufgestellte Futterfalle im Wald geht. Wenn Yvonne dort Heu oder Silage frisst, schließt sich ein Bügel und hält sie fest.

Seit die frühere Milchkuh am 24. Mai einem Bauern aus Aschau am Inn entkam, der sie mästen und schlachten lassen wollte, sind ihre Wildinstinkte wiedergekehrt. Sie hat sich ein Lager im Unterholz gesucht, ruht - anders als ihre Artgenossinnen - tagsüber und kommt nachts zum Grasen heraus. Als «Kuh, die ein Reh sein will», schaffte sie es vor Wochen erstmals in die Zeitungen.

«Sie hat sich sehr schnell angepasst», sagt Prof. Klaus Reiter, Verhaltensforscher für Nutztiere von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. «Normalerweise suchen Kühe als Herdentiere die Artgenossen und können mit einfachen Mitteln - zum Beispiel einem klappernden Futtereimer - wieder auf die Weide gelockt werden.» Dass sich die Kuh so schwer fangen lasse, sei ungewöhnlich. Um den Grund zu klären, müsse man Genaueres über ihre Herkunft wissen. Sei sie etwa auf einer weitläufigen Weide mit Wald und wenig Kontakt zu Menschen aufgewachsen, finde sie schneller zurück zu den Instinkten.

Wilde - oder verwilderte - Tiere passen schlecht in die zivilisierte Welt. Wegen des moosgrünen Kaimans Sammy wurde im Sommer 1994 ein Baggersee bei Dormagen in Nordrhein-Westfalen für die Badegäste gesperrt. Und die Geierschildkröte Eugen löste 2002 als «Ungeheuer von Dornach» bei München ein Badeverbot aus.

Während der damals rund 80 Zentimeter lange Brillenkaiman mit den bernsteingoldenen Augen bei einem Badeausflug mit seinem Besitzer entschwamm, war Eugen wohl ausgesetzt worden und hatte vermutlich schon jahrelang unbemerkt in seinem Weiher gelebt. Experten nannten es damals ein Wunder, dass kein Unglück passiert war. Denn wenn ein Kind der Schildkröte beim Baden zu nahe gekommen wäre, hätte das 70 Zentimeter große Tier ihm leicht Gliedmaßen abbeißen können.

Immer wieder gestaltet sich das Einfangen der Tiere schwierig. Wegen Sammy - der «Bestie vom Baggersee» - ging ein Polizist nachts auf die Pirsch. Ein Schleppnetz wurde ausgelegt, Brunftrufe wurden imitiert. Für Bruno flogen extra Bärenjäger aus Finnland samt Hunden ein; Experten der Umweltstiftung WWF versuchten, Bruno mit einer riesigen Aluminiumröhre zu fangen. Die Idee, dem jungen Bären mit einer attraktiven Bärin den Kopf zu verdrehen und ihn so in die Falle locken, ließ man fallen - Bruno war dafür noch zu jung.

Yvonne sollte nicht ein flotter Stier, aber Schwester Waltraud sowie Kälbchen Waldi locken, um Mutterinstinkte zu wecken. Aber Yvonne besuchte Waltraud und den Kleinen nur im Schutz der Nacht - und entkam erneut. «Die ist blitzgescheit. Die hätte dreimal die Matura gemacht», sagt Wintersteller. «Man darf nicht mehr sagen: "dumme Kuh"», findet auch der Zangdorfer Bürgermeister Franz Märkl (CSU/Freie Wähler), und fügt an: «Wir haben die Kuh sehr gut trainiert für das Sommerloch. Das ist für uns eine kostenlose Reklame.» (dpa)

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