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23.03.2024 | 02:49 | Klimaschutz 

Bla, bla, bla oder Quantensprung? 30 Jahre Klimarahmenkonvention

Berlin  - «Bla, bla, bla» - so fasste Greta Thunberg vor Jahren die mühsamen Verhandlungen auf den alljährlichen UN-Klimakonferenzen zusammen.

Klimaschutz
Die vergangenen neun Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Hat die globale Klimadiplomatie versagt? Das kann man so pauschal nicht sagen, meinen Wissenschaftler. (c) proplanta
Doch stimmt die gnadenlose Analyse der schwedischen Aktivistin? Politiker und viele Wissenschaftler sehen durchaus auch Erfolge, genau 30 Jahre nach Inkrafttreten der Klimarahmenkonvention am 21. März 1994. Hinter dem sperrigen Namen steckt das wichtigste Abkommen im Kampf gegen die Erderhitzung. Rund 200 Staaten, quasi die ganze Welt, macht mit. «Ohne diesen Prozess wären wir sehr viel schlechter dran», bilanziert beispielsweise der Klimaforscher Niklas Höhne auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Festgeschrieben wurde in der Konvention der Vereinten Nationen das Ziel, die Erderwärmung zu verlangsamen und ihre fatalen Folgen abzumildern - also zum Beispiel häufigere und heftigere Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Stürme und Überschwemmungen. Doch: Die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen rund um den Globus sind immer weiter gestiegen. Und das im Pariser Abkommen von 2015 angepeilte Ziel, die Aufheizung des Planeten möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, ist kaum noch zu schaffen. Die vergangenen neun Jahre waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, und 2023 das mit Abstand wärmste.

Was haben die 30 Jahre internationaler Klimaschutz dann gebracht? Ist der Prozess gescheitert?

Keineswegs, meint Klimaforscher Höhne vom NewClimate Institute. «Vor 30 Jahren dachten wir noch, wir steuern auf bis zu 5 Grad Erderwärmung zum Ende des Jahrhunderts zu, vor zehn Jahren lagen die Schätzungen bei 3,5 Grad. Heute sind es eher 2,5 und im optimistischen Fall sogar leicht unter 2 Grad. Das ist ein großer Erfolg.»

Auch Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch sagt, insbesondere seit dem Pariser Klimaabkommen gebe es viel mehr Dynamik. «Gerade bei den größten Emittenten, also China, USA, Indien und der EU, haben wir in den letzten drei Jahren Quantensprünge für mehr Klimaschutz erlebt. Die Investitionen für erneuerbare Energien, Batterien, Elektromobilität und Wärmepumpen wachsen exponentiell in den G20-Staaten, wo 80 Prozent der Emissionen freigesetzt werden.»

Ähnlich sieht es die Klima-Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan. «Müssten wir weiter sein als wir sind? Absolut. Die Auswirkungen treffen uns härter und schneller, als man damals dachte, und sie haben weitreichende Folgen für Leben und Tod auf der ganzen Welt», bilanziert sie auf dpa-Anfrage. «Wären wir weiter, wenn es UNFCCC nicht gäbe? Absolut nicht.» UNFCCC ist die englische Abkürzung für die Konvention.

Weltklimakonferenzen in Öl-Staaten und mit Hunderten Lobbyisten der fossilen Industrie - kann das so weitergehen?

Gastgeber der vergangenen UN-Klimakonferenzen waren Ägypten und zuletzt Dubai. Nun ist im November Aserbaidschan an der Reihe, dessen Wirtschaft auch stark vom Export fossiler Energie abhängt. Zufall oder Einflussnahme der Öl-Lobby? Bals von Germanwatch meint, natürlich sei es auch ein Versuch der Öl- und Gaslobby, den Prozess zu beeinflussen. «Aber am Ende braucht es im UN-Kontext ohnehin einen Kompromiss, wo keine Ländergruppe blockiert.» Und der weltweite Druck sei gerade auf Ausrichter mit eigenen fossilen Interessen besonders groß. «Deswegen muss der Kompromiss nicht unbedingt schlechter ausfallen. Aber man muss besser aufpassen.»

Sogar einen Ausschluss von Öl- und Gas-Lobbyisten kann sich Bals vorstellen. Seine Idee: Lobbyisten von Unternehmen, die bewusst gegen die Pariser Klimaziele verstoßen, also keine entsprechenden Umsetzungspläne haben, sollten nicht zu den UN-Verhandlungen zugelassen werden. Höhne meint, in den letzten Jahren sei ein regelrechtes «letztes Aufbäumen» der Öl-Lobby zu beobachten. «Das zeigt aber, dass es für diese Industrie ums Überleben geht, dass sie die Gefahr als ernst einschätzt.»

Was können Klimakonferenzen noch bewirken - gerade mit Blick auf Indien und China?

Trotz Klimarahmenkonvention sind, im Gegensatz zu Deutschland, die Treibhausgasemissionen der meisten Staaten in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen - so auch in den beiden bevölkerungsreichsten Staaten China und Indien. Doch auch hier gibt es nach Bals' Analyse größere Fortschritte.

«Insbesondere auf China, den weltweit größten Emittenten, wird in den Verhandlungen der Druck größer, durch verbindliche Verpflichtungen und finanzielle Unterstützung der ärmeren Länder noch aktiver zu werden.» Höhne pflichtet ihm bei: «Die Energiewende ist in beiden Ländern nicht mehr aufzuhalten. Chinas Exporte beeinflussen auch andere Länder, China produziert 80 Prozent der weltweit verkauften Solarzellen und 60 Prozent der weltweit verkauften Elektroautos.»

Staatssekretärin Morgan, ehemals Greenpeace-Chefin, erinnert daran, dass die spezielle Dynamik der Weltklimakonferenzen schon öfter zu unverhofften Fortschritten geführt habe. «Die COP ist außerdem der eine feste Termin, zu dem alle Staaten auf der Ebene der Staatschef*innen vor der Weltöffentlichkeit Rechenschaft über ihren Beitrag zum Klimaschutz bzw. zur Klimakrise ablegen müssen. Das gilt gleichermaßen für Industrie- und Schwellenländer ebenso wie für Staaten, die bislang Öl, Gas oder Kohle fördern.»
dpa
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