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05.05.2014 | 15:31 | Naturkatastrophe 

Sechs Monate nach Haiyan: Leben im Provisorium

Tacloban - Auch sechs Monate nach dem verheerenden Taifun «Haiyan» auf den Philippinen vermisst Alfredo Cojas so etwas wie ein normales Leben. Wann der 49-jährige Fischer je wieder in seinem alten Beruf arbeiten kann, steht derzeit noch in den Sternen.

Fischer
(c) proplanta
Seine eigene Zukunft beschreibt er als unsicher. Als die fünf Meter hohen Wellen am 8. November 2013 auf die Philippinen trafen, nahmen sie ihm auch sein Boot. Seitdem baut und repariert er die Boote anderer. Fischen, so sagt Cojas, könne er nur, wenn ihn Kollegen mitnähmen. «Da ich nicht mehr regelmäßig fischen konnte, konnte ich mir noch gerade mal Reis für meine Familie leisten», sagt der Vater von vier Kindern.

«Wir wissen nicht, wie lange wir noch so leben müssen», sagt Cojas und deutet auf die windschiefe Hütte, die er selbst aus Schrott zusammengebaut hat. Zwar hätten die Behörden ihm und den Nachbarn erzählt, dass sie bald umziehen würden, doch wann genau und wohin, das hätten sie nicht erfahren. «Wir werden hier wohl auch noch während der Regenzeit sein», schätzt er.

So wie Cojas ringen derzeit viele Überlebende damit, ihr altes Leben wieder aufzubauen. Es ist kein leichtes Unterfangen, immerhin gilt «Haiyan» als einer der stärksten Stürme überhaupt. Der Taifun hatte mehr als 6.300 Menschen das Leben gekostet und Zerstörung in einem beispiellosen Ausmaß hinterlassen. Mehr als vier Millionen Menschen blieben nach Regierungsangaben obdachlos zurück, sechs Millionen verloren ihre Lebensgrundlage.

Während die lebensrettenden Maßnahmen größtenteils abgeschlossen sind, laufe der Wiederaufbau in Sachen Unterkünfte und Lebensgrundlage nicht schnell genug, sagt Caroline Baudot, Beraterin der Hilfsorganisation Oxfam. «Es ist dringend nötig, dass die Regierung mehr Führungsstärke zeigt und deutlich lösungsorientierter reagiert.» So müssten Umsiedelungsprogramme sorgfältig geplant werden, um sicherzustellen, dass die Überlebenden Gelegenheit hätten, in ihren neuen Kommunen auch ein Auskommen zu finden. Zudem bräuchten die Menschen für den Wiederaufbau ihrer Existenz Startkapital, sagt die Expertin.

In der besonders vom Taifun zerstörten Stadt Tacloban seien die meisten Schulen und Krankenhäuser wieder geöffnet, sagt die leitende Beamtin Jenny Lyn Manibay von der Stadtverwaltung. Zudem würden die meisten Behörden wieder arbeiten, auch die Stromversorgung funktioniere in weiten Teilen. «Wir sind noch weit entfernt von einer Erholung, aber es ist bereits ein deutlicher Unterschied zu dem Zustand, den wir vor einigen Monaten hatten», sagt sie.

Tatsächlich ist der Schutt von den Straßen verschwunden sowie der Leichengeruch, der noch Wochen nach «Haiyan» über der Stadt hing. Auf dem Markt herrscht wieder Geschäftigkeit, und selbst einige neue Restaurants haben bereits geöffnet. Doch sind die Narben der Vergangenheit nicht zu übersehen. Der Flughafen von Tacloban wurde nicht instand gesetzt, einige Häuser haben anstelle eines Daches nur eine Plane, und dort wo einst Gebäude waren, stehen nun weiße Zelte.

«Wir bekommen Hilfe von so vielen Menschen, dass die Dinge eines Tages wohl wieder in Ordnung kommen werden», sagt  die 70-jährige Nenita Villanueva. Sie lebt mit ihrem 13 Jahre alten Enkel in einem notdürftig reparierten Haus. Der Enkel hat bei dem Sturm Vater, Mutter und zwei jüngere Schwestern verloren. «Ich mache mir manchmal Sorgen um ihn. Ich will nicht, dass er zu ernst wird», sagt die Großmutter. «Ich sage ihm immer, dass alles gut wird.»
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