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02.06.2011 | 04:02 | Handystrahlung 

WHO-Experten: Mobilfunk möglicherweise krebserregend

Lyon/Salzgitter/Washington - Kann das Telefonieren mit dem Handy Krebs auslösen? Das lässt sich derzeit nicht ausschließen, meint ein Expertengremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Mobilfunk
Es hat Mobilfunkstrahlung nach Prüfung der verfügbaren wissenschaftlichen Untersuchungen jetzt als «möglicherweise krebserregend» eingestuft. Der internationale Verband der Mobiltelefon-Produzenten CTIA weist diese Einschätzung zurück.

Damit geht der Streit, der seit Jahren um mögliche Gefahren durch Mobilfunkstrahlung schwelt, in eine neue Runde. Am Sachstand hat sich allerdings kaum etwas geändert. Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC, ein Tochterinstitut der Weltgesundheitsorganisation, hat für die am Dienstagabend veröffentlichte Einschätzung selbst keine neuen Untersuchungen angestellt, sondern die vorhandenen Studien zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern, wie sie etwa von Handy, Rundfunk und Radar genutzt werden, gesammelt und bewertet.

«Die IARC sieht Hinweise, dass diese Felder krebserregend sein könnten, ohne dass dies derzeit im wissenschaftlichen Sinne als nachgewiesen gelten kann», erläuterte das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter am Mittwoch das Ergebnis. Der Vizepräsident des Mobiltelefon-Herstellerverbands CTIA, John Walls, legte es so aus: «Diese IARC-Einstufung bedeutet nicht, dass Mobiltelefone Krebs verursachen.» Er hält die IARC-Analyse nicht für aussagekräftigt und verwies darauf, dass etwa US-Behörden keine wissenschaftlichen Beweise für eine Krebsgefahr sähen.

Auch das Bundesamt für Strahlenschutz hat festgestellt, «dass nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand zwar keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch hochfrequente Felder - etwa aus dem Mobilfunk - zu erwarten sind, wenn die Grenzwerte eingehalten werden». Unsicherheiten gebe es allerdings hinsichtlich möglicher langfristiger Wirkungen. «Um diese abschließend bewerten zu können, liegen noch keine ausreichend langen Beobachtungszeiten vor.»

«Es ist im Moment nicht eindeutig belegt, dass die Nutzung von Mobiltelefonen Krebs bei Menschen auslösen kann», betonte auch Kurt Straif, Vorsitzender des Monografien-Programms der IARC, in dem bereits mehr als 900 mögliche Krebsauslöser bewertet worden sind. Dennoch entschlossen sich die Fachleute zur Einstufung der Strahlung als «möglicherweise krebserregend» («possibly carcinogenic»), da es begrenzte Hinweise auf ein erhöhtes Auftreten bestimmter Hirntumore (Gliome) bei Intensiv-Handynutzern gebe. Auf welche Weise die Strahlung Krebs auslösen könnte, ist ungeklärt. «Die Mechanismen bleiben eine offene Frage.»

Das deutsche Informationszentrum Mobilfunk (IZMF) betonte daher in einer Reaktion, wie viele andere nationale und internationale Expertengremien komme die IARC zu dem Schluss, «dass die vorliegenden Erkenntnisse es nicht erlauben, einen Kausalzusammenhang von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern und Krebserkrankungen als wahrscheinlich anzusehen».

Die IARC-Einstufung ist also vor allem eine Vorsichtsmaßnahme. Die Agentur hatte vor neun Jahren bereits niederfrequente elektrische und magnetische Felder, wie sie etwa bei Hochspannungsleitungen vorkommen, ebenfalls als «möglicherweise krebserregend» eingestuft. Die Experten machten am Dienstag in Lyon deutlich, dass beide Einstufungen wesentlich darauf fußen, dass sich ein Risiko bislang nicht ausschließen lässt.

«Das Ergebnis bedeutet, dass es ein Risiko geben könnte, und wir müssen deshalb genau nach einer Verbindung zwischen Mobiltelefonen und Krebsrisiko Ausschau halten», betonte der Vorsitzende der IARC-Expertengruppe, Jonathan Samet von der Universität von Südkalifornien. Die Fachleute schreiben, es seien weitere Studien nötig, auf deren Grundlage das Krebspotenzial der Strahlung in einigen Jahren erneut bewertet werden soll.

Derzeit werden nach IARC-Angaben weltweit fünf Milliarden Mobiltelefone genutzt. Verbraucher, die sich Sorgen machen, könnten die persönliche Strahlungsexposition minimieren, indem sie Freisprecheinrichtungen oder schnurgebundene Festnetztelefone benutzen, erläuterte die Agentur. «Zusätzlich zum Gebrauch einer Freisprecheinrichtung, kann die Exposition reduziert werden, indem man auf gute Empfangsbedingungen achtet, oder Zahl und Dauer von Anrufen begrenzt», erklärte IZMF-Geschäftsführerin Dagmar Wiebuch in einer Mitteilung.

Die IARC wurde bereits 1965 gegründet. Sie soll Regierungen und Behörden unabhängiges Expertenwissen zu möglicherweise krebserregenden Umweltfaktoren zur Verfügung stellen und hat bereits mehr als 900 mögliche Krebsfaktoren in Monografien bewertet. Dafür stufen Experten jeden untersuchten Faktor in eine von fünf Kategorien ein: «krebserregend» (1), «wahrscheinlich krebserregend» (2A), «möglicherweise krebserregend» (2B), «nicht klassifizierbar» (3) und «wahrscheinlich nicht krebserregend» (4).

Die Bewertung der hochfrequenten elektromagnetischen Strahlung erscheint als IARC-Monografie Nummer 102 und als Zusammenfassung im britischen Medizinjournal «The Lancet Oncology». (dpa)
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