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22.03.2019 | 18:23 | Hacker-Affäre 

Hacker-Angriff auf Schulze Föcking: Wurde Öffentlichkeit getäuscht?

Düsseldorf - Eine Deutsch-Stunde zur Textanalyse könnte nicht langatmiger sein: Ein Jahr nach dem vermeintlichen Hacker-Angriff auf die frühere Agrarministerin Christina Schulze Föcking (CDU) steht die damalige umstrittene Kommunikation der Landesregierung auf dem Prüfstand.

Frühere Agrarministerin Christina Schulze Föcking
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Hat die Landesregierung in der «Hacker-Affäre» um die frühere Agrarministerin Christina Schulze Föcking die Öffentlichkeit getäuscht? Bald ein Jahr nach dem Rücktritt der Ministerin arbeitet sich ein Untersuchungsausschuss an einer Pressemitteilung ab. (c) Christina Schulze Föcking
Der Untersuchungsausschuss zur «Hacker-Affäre» arbeitete sich am Freitag an 20 Zeilen einer Pressemitteilung ab. Diese hatte Regierungssprecher Christian Wiermer im März 2018 am Tag nach dem vermeintlichen Hacker-Angriff auf die längst zurückgetretene Schulze Föcking verfasst.

Was war passiert? Auf dem privaten Fernseher Schulze Föckings waren plötzlich Aufnahmen aus einer Fragestunde im Landtag zu sehen. Darin ging es um die umstrittene Schweinehaltung im Betrieb ihrer Familie.

Die angebliche Cyber-Attacke sorgte in den nächsten Tagen für Aufregung, führte zu Solidaritätsadressen von Regierung und Opposition - und entpuppte sich später als Bedienungsfehler. Die Opposition fühlte sich verschaukelt. Denn Hinweise auf die mögliche Panne hatte die Landesregierung früh, behielt sie aber für sich.

Wiermer brauchte als Zeuge im Ausschuss fast eine Stunde, um seine damaligen 20 Zeilen wortreich als seiner Ansicht nach gerechtfertigt zu analysieren. Den Vorwurf der «bewussten Irreführung» der Öffentlichkeit wies er entschieden zurück. Zum Zeitpunkt seiner Pressemitteilung seien die Behörden noch von einem Angriff auf das private TV-Netzwerk der Ministerin ausgegangen. Es sei ihm aber klar gewesen, dass nur das «Stadium des Verdachts» erreicht gewesen sei.

Wiermer hatte am Tag nach dem Vorfall unter Berufung auf die Ermittlungsbehörden als Tatsache erklärt, dass es von «unbekannter Seite Versuche gegeben» habe, auf persönliche Daten Schulze Föckings zuzugreifen. «Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich», hieß es weiter. «Die Landesregierung verurteilt die offenkundig kriminellen Eingriffe in die Privatsphäre der Ministerin aufs Schärfste.»

Im Untersuchungsausschuss räumte Wiermer ein, dass er in einem Punkt doch aufgebauscht habe. Es habe nach ersten Angaben der Ermittler nur einen Zugriffsversuch auf das TV-Netzwerk von Schulze Föcking gegeben und nicht mehrere. Es sei ihm auch klar gewesen, dass es sich bei dem vermuteten Angriff auf Daten um eine «Hypothese» gehandelt habe, sagte Wiermer. Aber Signalwörter wie «vermutlich» oder «mutmaßlich» sucht man in der Pressemitteilung vergeblich. Der Angriff erscheint als Tatsache.

Auch die Behauptung der «offenkundig kriminellen Angriffe» erklärte Wiermer. Er habe sich damit «in erster Linie» auf die Hassmails bezogen, mit denen Schulze Föcking schon Wochen zuvor überzogen worden war. Dieser Bezug wird allerdings in der Mitteilung nicht direkt hergestellt. In den Medien verbreitete sich auf Grundlage der Erklärung die Meldung vom «Hacker-Angriff». Wiermer dazu: «Ich habe das Wort Hacker-Angriff nie benutzt.»

Staatskanzleichef Nathanael Liminski segnete die Mitteilung im Übrigen ab. «Die Pressemitteilung war mit mir in Inhalt und Wortlaut abgesprochen», sagte er als Zeuge. Dass die Zusammenhänge darin auch anders verstanden werden könnte, könne er aber «nachvollziehen».

Den ersten Hinweis, dass es womöglich gar keine Attacke auf das Heimnetzwerk gegeben habe, bekam Liminski Ende März 2018 und informierte Wiermer darüber. Aber zu dem Zeitpunkt sei das noch kein abschließendes Ermittlungsergebnis gewesen. Das sei «misslich» gewesen, sagte Liminski. Denn die Staatskanzlei habe das nur vorläufige Ergebnis der inzwischen zuständigen Staatsanwaltschaft nicht veröffentlichen können. Das wäre allein Schulze Föckings Sache gewesen. Die Ministerin aber machte die Bedienungspanne erst Anfang Mai öffentlich und trat kurz darauf zurück.

Indirekt Schützenhilfe bekam die Landesregierung von Landeskriminalamtschef Frank Hoever im Zeugenstand des Ausschusses. «Es sprach erst ganz viel dafür, dass hier eine Straftat im Raum stand», sagte er. «Zutreffende Anhaltspunkte lagen allemal vor.» Aber schon etwa eine Woche später hätten sich Hinweise auf einen möglichen Bedienungsfehler des TV-Netzwerks auf dem Hof ergeben.

LKA-Chef Hoever verwies auch darauf, dass noch in der Nacht des Cyber-Alarms eine erste Schnellmeldung der Polizei mit dem Satz herausging: «Unbekannte Täter griffen auf bisher unbekannte Weise auf den Privatfernseher (...) zu.» Allerdings gehe in solchen ersten Meldungen die «Schnelligkeit vor Genauigkeit», betonte Hoever. «Da können im Einzelfall schon mal Dinge drinstehen, die sich im Nachhinein nicht bewahrheiten.» Liminski jedoch betonte, dass er selten Schnellmeldungen von «solcher sprachlichen Deutlichkeit und Finalität» gelesen habe.

«Alle haben alles falsch verstanden, außer dem Regierungssprecher», kommentierte der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas später. Grünen-Fraktionschefin Monika Düker meinte: «Die Glaubwürdigkeit der Landesregierung ist erschüttert.»
dpa/lnw
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