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06.05.2019 | 05:17 | Europawahl 

Koalition streitet über Richtung in Steuer- und Finanzpolitik

Berlin - In der großen Koalition hat sich drei Wochen vor der Europawahl angesichts der schwächeren Konjunktur der Richtungsstreit über den Kurs in der Steuer- und Wirtschaftspolitik verschärft.

Große Koalition
Den 9. Mai dürften sich viele in der Bundesregierung rot angestrichen haben. Dann kommen die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung. Und die könnten die Konflikte in der Koalition weiter anheizen. Doch nicht nur zwischen Union und SPD brodelt es. (c) proplanta
Während die Union umfassende Entlastungen für Unternehmen fordert, lehnt die SPD milliardenschwere «Steuergeschenke» für Firmen ab. Sie setzt auf Projekte wie die Grundrente.

Umstritten ist auch eine mögliche Steuer auf den Außstoß des klimaschädlichen Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) - und das nicht nur zwischen Union und SPD: Auch innerhalb der CDU gibt es gegensätzliche Positionen. Ein Überblick:

CO2-Steuer:

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer war in der Debatte über einen besseren Klimaschutz zuletzt auf Distanz gegangen zu den Plänen von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) für eine solche Steuer auf Kohlendioxid (CO2). Sie bekommt aber Gegenwind von ihrem Stellvertreter in der Partei, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet.

Sie sei überzeugt, dass es intelligentere Methoden für mehr Klimaschutz gebe, als neue Steuern zu erheben, sagte sie auf einer CDU-Veranstaltung am Samstag in Halle. Hinter einer CO2-Steuer verberge sich nichts anderes als eine stärkere Belastung für Benzin, Diesel, Heizöl und Gas. «Deswegen ist die Frage, ob wir, weil wir zu faul sind zum Nachdenken, ob es bessere Methoden gibt, einfach mal insbesondere kleine Leute über Gebühr belasten.»

Bereits am Freitag hatte eine Parteisprecherin gesagt: «Im Rahmen der Diskussion um die Bepreisung von CO2 hat sich innerhalb des CDU-Bundesvorstandes ein klares Meinungsbild ergeben, vorrangig über Möglichkeiten eines verstärkten Zertifikatehandels nachzudenken.»

Doch Laschet hielt am Sonntag dagegen. «Ich halte das für falsch, einfach Nein zu sagen», sagte er im ARD-«Bericht aus Berlin». Nötig seien größere Anstrengungen zur Reduktion von CO2. «Deshalb sage ich: Hinschauen! Gute Ideen entwickeln! Und da sind wir genauso offen wie andere Parteien auch.»

Er wies auf das Beispiel Schweiz hin, wo es seit Jahren eine CO2-Steuer gibt, die zum Teil in Klimaschutzmaßnahmen investiert wird, aber durch eine pauschale Rückzahlung an alle Bürger ausgeglichen wird.

«Wenn man es wie in der Schweiz macht, wenn man für den ganzen Bereich der Häuser, des Wohnens - der ein Drittel des CO2-Ausstoßes ausmacht - einen Lenkungsmechanismus findet, der es attraktiver macht, in Neues zu investieren, CO2 zu reduzieren, dann, finde ich, kann man sich diesem Gedanken nähern.» Auch SPD-Umweltministerin Schulze will mit Einkünften aus einer solchen Steuer die Bürger an anderer Stelle entlasten.

Bei der Alternative geht es um einen intensiveren Handel mit einer begrenzten Zahl von CO2-Verschmutzungsrechten: Dieser bereits bestehende EU-Emissionshandel soll dann vom Energiesektor und Teilen der Industrie ausgeweitet werden auf andere Bereiche wie den Verkehr.

Derzeit werden sowohl nationale als auch europäische Klimaschutzziele verfehlt, es drohen teure Strafzahlungen. Bis Ende des Jahres soll ein Klimaschutzgesetz beschlossen werden. Laschet glaubt trotz der Differenzen: «Das ist zu schaffen.»

Steuer- und Haushaltspolitik:

Am kommenden Donnerstag werden die Ergebnisse der aktuellen Steuerschätzung bekannt gegeben. Erwartet wird angesichts der Abkühlung der Konjunktur, dass die Steuereinnahmen in der Prognose nicht mehr so stark steigen - oder sogar sinken.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) versucht demonstrativ, Ruhe zu bewahren. Die Regierung sei bei den Eckpunkten für den Bundesetat gut vorbereitet. Aber: Scholz mahnt seine Kabinettskollegen bereits zur Haushaltsdisziplin. «Es müssen überflüssige Ausgaben unterlassen werden, und es müssen alle Projekte nach vernünftigen Prioritäten sortiert werden», sagte Scholz dem Deutschlandfunk.

Nicht antasten will die SPD aber eines ihrer milliardenschweren Prestigeprojekte, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Grundrente. Die Union aber ist strikt gegen eine Grundrente ohne Prüfung der Bedürftigkeit. «Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen: das Land zukunftsfest machen oder den Sozialstaat ausweiten», sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Auch die Union will Prioritäten neu setzen, wenn bei der Steuerschätzung die Einnahmen niedriger ausfallen als zuvor angenommen - aber einen anderen Schwerpunkt setzen. Sie will vor allem die Wirtschaft um Milliarden entlasten, um die Konjunktur anzukurbeln. Konkret spricht sich die Union unter anderem dafür aus, den Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen sowie die Unternehmensteuer und die Stromsteuer zu senken.

Scholz hat solchen Plänen bisher stets eine Absage erteilt. Und SPD-Fraktionsvize Achim Post sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Der Schlüssel zu Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes sind nicht milliardenschwere Steuergeschenke für Unternehmen, sondern mutige Investitionen in Bildung, Innovation und gleichwertige Lebensverhältnisse.»

Sozialismus-Debatte:

Juso-Chef Kevin Kühnert, ein Kritiker der großen Koalition, hat eine große Debatte ausgelöst - mit Aussagen zum Thema Sozialismus. Kühnert war unter anderem für eine Kollektivierung großer Unternehmen «auf demokratischem Wege» eingetreten. Es folgte eine Welle der Empörung. Kramp-Karrenbauer sagte am Wochenende, Kühnerts Thesen seien ein Indiz dafür, dass die SPD politisch nach links abdrifte.

Allerdings hat sich die SPD-Führungsspitze von den Aussagen Kühnerts distanziert, sie hält die Diskussion für überzogen. Und es gibt auch viele, für die der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation einen Nerv getroffen hat. Der Ökonom und DIW-Chef Marcel Fratzscher etwa will zwar keinen Sozialismus - sieht aber etwa auf dem Wohnungsmarkt «Exzesse». «Die Soziale Marktwirtschaft funktioniert nicht so, wie sie funktionieren sollte», sagte Fratzscher der dpa. Die Politik müsse ihre Hausaufgaben machen.
dpa
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